Hoferbfolge – und die Frage der Wirtschaftsfähigkeit

Nach der Legaldefinition in § 6 VII HöfeO ist derjenige wirtschaftsfähig, der nach seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten, nach seinen Kenntnissen und seiner Persönlichkeit in der Lage ist, den von ihm zu übernehmenden Hof selbständig ordnungsgemäß zu bewirtschaften.

Hoferbfolge – und die Frage der Wirtschaftsfähigkeit

Abzustellen ist dabei konkret auf die Art und Struktur der Bewirtschaftung des zu übernehmenden Hofes[1].

Dabei sind zunächst die landwirtschaftlich-technische Fähigkeiten zu berücksichtigen, die erforderlich sind, um den Betrieb technisch ordnungsgemäß zu bewirtschaften (wie Einhaltung der Fruchtfolge, ordnungsgemäße Feldbestellung, rechtzeitige Einbringung und Lagerung der Ernte, etc.). Dazu müssen noch organisatorisch-kalkulatorische Fähigkeiten des Hoferben treten. Hierbei geht es um die „finanzielle“ Wirtschaftsfähigkeit des Anwärters, das heißt, wie Entnahmen für betriebliche und private Zwecke ins Verhältnis zu den Betriebseinnahmen zu bringen sind, laufende Verbindlichkeiten beglichen werden, Wirtschaftspläne aufgestellt und gebotene Investitionsentscheidungen getroffen werden. Zudem muss ein Hofanwärter den Hof jederzeit in Eigenbewirtschaftung übernehmen können; allein die Fähigkeit, für eine gehörige Verpachtung zu sorgen und die Rechte und Pflichten eines Verpächters wahrzunehmen, reicht nicht aus. Schließlich dürfen auch nach der Persönlichkeit des Erbanwärters keine die Wirtschaftsfähigkeit ausschließende Mängel festzustellen sein[2]. Der Hofanwärter muss auch nach seiner Persönlichkeit geeignet sein, den zu übernehmenden Hofbetrieb nachhaltig und ordnungsgemäß in Eigenregie zu bewirtschaften[3].

Maßgebend für die Beurteilung der Wirtschaftsfähigkeit ist in zeitlicher Hinsicht der Eintritts des Erbfalls; nicht entscheidend ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichts, da der Erbe zur Zeit des Erbfalls bestimmbar sein muss[4]. Die Feststellungen zur Wirtschaftsfähigkeit hat das Landwirtschaftsgericht im Rahmen der Amtsermittlung zu treffen, §§ 9 LwVG, 26 FamFG, wobei über den Umfang der anzustellenden Ermittlungen und der zu erhebenden Beweise nach freiem Ermessen des Gerichts zu entscheiden ist.

Allerdings können auch grundlegende charakterliche Defizite, die eine ordnungsgemäße Weiterbewirtschaftung des nachlasszugehörigen Hofes durch den Betreffenden als Hoferben nicht erwarten lassen, seiner Wirtschaftsfähigkeit im Wege stehen.

So fehlte im hier vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall einem der Beteiligten bis zum Zeitpunkt des Erbfalls schon das für eine ordnungsgemäße Hofbewirtschaftung unabdingbare grundsätzliche und nachhaltige Interesse am Erwerb landwirtschaftlich fachspezifischer Kenntnisse, um den umfassenden Anforderungen an die erfolgreiche Bewirtschaftung des väterlichen Ackerbaubetriebs mit einer zu bewirtschaftenden Gesamtgröße von ca. 52 ha auf Dauer gerecht zu werden. Er hatte er bis zum Tod des Erblassers unstreitig keinerlei landwirtschaftliche Ausbildung durchlaufen oder gar abgeschlossen; er hat überhaupt keine Berufsausbildung abgeschlossen, sondern nach eigenem Bekunden in unterschiedlichen landwirtschaftlichen Betrieben stets nur „mitgeholfen“. Ungeachtet der angestrebten Hofnachfolge hat er es nicht einmal nach dem Erbfall unternommen, nennenswerte Fortbildungen in diesem Bereich zu absolvieren, um die angesichts der gänzlich fehlenden fachtheoretischen Ausbildung nötigen persönlichen Qualifizierungen möglichst rasch nachzuholen. Bei seiner Anhörung hat er einräumen müssen, in den verstrichenen fast 1 1/2 Jahren nach dem Erbfall lediglich ein Seminar zum Nachweis der „Sachkunde Pflanzenschutz für die Landwirtschaft“ absolviert zu haben. Der gesamte Lebenslauf des inzwischen 37-jährigen weist keine Hinwendung zur Landwirtschaft auf. Vielmehr hat er sich bislang schwerpunktmäßig für den Handel mit und die Wartung von Kraftfahrzeugen und Maschinen interessiert. So hat er nach seinem Hauptschulabschluss trotz des schon damals vorhandenen väterlichen Hofbetriebes keine Ausbildung in der Landwirtschaft angestrebt, sondern eine Lehre als KFZ-Mechaniker begonnen. Selbst diese – für eine Hofbewirtschaftung mit Schwerpunkt Ackerbau zweifelsohne nützliche – Ausbildung hat er nicht abgeschlossen, sondern vorzeitig schon im Jahr 1995 beendet. Obwohl er seitdem – nach eigenem Vortrag – auf der Hofstelle gelebt und seinem Vater auch im Hofbetrieb zur Hand gegangen sein will, hat er bis zum Erbfall im Jahr 2013 wiederum keinerlei landwirtschaftliche Aus- bzw. Fortbildungen absolviert. Dieser persönliche Werdegang offenbart das grundlegende Fehlen eines Bewusstseins dafür, dass in der heutigen Zeit eine ordnungsgemäße Landwirtschaft verantwortlich nicht lediglich mit praktischen Fertigkeiten zu betreiben ist, sondern als Basis erfolgreicher unternehmerischer Entscheidungen auch der Erwerb und die stetige Aktualisierung theoretische Fachkenntnisse verlangt werden. Jedenfalls bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erbfalls hat er indes ein belastbares Interesse an einem auch fachlich-theoretischen landwirtschaftlichen Kenntniserwerb grundlegend vermissen lassen. Sein fehlender Antrieb mit Blick auf eine landwirtschaftlichen Aus- und Weiterbildung wiegt umso schwerer, als er in der Zeit nach Abbruch seiner KFZ-Lehre genügend Gelegenheit dazu gehabt hätte. Selbst während der vierjährigen Anstellung durch seinen Vater, die sich nach dem im Termin vorgelegten Kündigungsschreiben nur auf dessen KFZ-Betrieb bezog, hätte für ihn die naheliegende Option bestanden, die von den Landwirtschaftskammern oder -verbänden und ähnlichen Anbietern zu Einzelthemen vielfach angebotenen Fortbildungsveranstaltungen zu besuchen. Das gilt für den weiteren Verlauf umso mehr, als er nach seiner Kündigung durch den Vater Ende 2002 für mehrere Jahre arbeitslos gemeldet war und erst 2006 eine neue berufliche Tätigkeit aufnahm, indem er anderenorts ein eigenes Gewerbe mit Fahrzeugen (insbesondere Gabelstaplern) eröffnete. Auch diese berufliche Wahl offenbart indes sein ganz vorrangig vorhandenes Interesse an Kraftfahrzeugen und Maschinen, nicht aber eine belastbare Bereitwilligkeit zur Vorbereitung auf den eigenständigen Betrieb einer ordnungsmäßigen Landwirtschaft.

Sein aus dem geschilderten Lebenslauf erkennbare Desinteresse des Beteiligten fällt für die Beurteilung der Wirtschaftsfähigkeit i.S.v. § 6 VII HöfeO umso schwerer ins Gewicht, als die moderne Landwirtschaft unter besonderer Beachtung der Gebote von Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit einschließlich der zahlreichen EU-Vorgaben (Regeln der Cross-Compliance u.a.) deutlich höhere fachlich-theoretische Anforderungen an einen Betriebsleiter stellt, als dies in früheren Zeiten den Fall war. Vor diesem Hintergrund zeugt es von einem mit der Wirtschaftsfähigkeit eines Hoferben unvereinbaren offenkundigen Desinteresse, dass er erstmals nach dem Versterben seines Vaters und nach Beginn des familiären Streites um die Hoferbfolge einen Fachlehrgang belegt hat. Der besuchte Fachlehrgang umfasste letztlich auch nur die Thematik “ Sachkunde Pflanzenschutz Landwirtschaft + Gartenbau“, deren Kenntnis zwar für jeden in der Ackerbewirtschaftung tätigen Landwirt unabdingbar und hilfreich, für einen angehenden Betriebsführer ohne nennenswerte landwirtschaftlich-theoretische Ausbildung aber bei weitem nicht ausreichend ist.

Nach wie vor sieht er schließlich keine Notwendigkeit dazu, seine (gänzlich) fehlende theoretische Ausbildung in einem landwirtschaftlichen Beruf in geeigneter Weise zu kompensieren. So hat er bei seiner Anhörung – auf die Defizite in seinem beruflichen Lebenslauf angesprochen – entgegnet, dass er bei den Arbeiten seines Vaters auf dem Hof immer dabei gewesen sei und deshalb schon wisse, wie alles gehe. Auch diese Antwort macht deutlich, dass er sich bislang nicht ausreichend selbstkritisch mit den geänderten und gewachsenen Bildungsanforderungen zum ordnungsmäßigen Betrieb einer modernen und nachhaltigen Landwirtschaft befasst hat und ihm die generelle Bereitschaft fehlt, sich zielstrebig und nachhaltig den Mühen einer landwirtschaftlich-fachlichen Aus- und Fortbildung zu unterziehen. Dieses Verhalten ist umso weniger verständlich, als der Vater ihn bekundetermaßen zu seinem Hoferben ausersehen haben soll.

Zu Bedenken gegen seine Wirtschaftsfähigkeit veranlasst weiter sein zugestandenes Verhalten vor dem Erbfall, welches letztendlich dazu führte, dass nahezu die gesamte Hofstelle der Besitzung mit gebrauchten Fahrzeugen und Anhängern als Handelsware zugestellt und damit für die eigentlichen landwirtschaftlichen Zwecke weitgehend „entwidmet“ war.

Nicht zuletzt die ehrenamtlichen Richter haben aus den vorgelegten Lichtbildern – insbesondere anhand der Luftaufnahme – den sicheren Schluss gezogen, dass eine so weitgehende Lagerung von Gebrauchtfahrzeugen und -fahrzeugteilen eine geordnete landwirtschaftliche Nutzung der Hofstelle undenkbar erscheinen lasse; ferner sie haben darauf hingewiesen, dass derart landwirtschaftsfremde Nutzungen eines Hofgeländes von den zuständigen Behörden nicht geduldet würden und man als Landwirt zumindest wegen ungenehmigter Nutzungsänderung mit einem ordnungsbehördlichen Einschreiten rechnen müsse.

Damit ist festzuhalten, dass bereits zu Lebzeiten des Erblassers die faktische Entwidmung der Hofstelle durch Ablagerung von landwirtschaftsfremder Handelsware in großem Stil auf der Hofstelle eingeleitet worden ist. Diese – nach seiner Darstellung von ihm im Zusammenwirken mit dem Vater herbeigeführte und verantwortete – Nutzung der Hofstelle offenbart, dass es an den erforderlichen Kenntnissen und infolgedessen an der Sensibilität für die heute in einem landwirtschaftlichen Betrieb zu beachtenden ordnungsrechtlichen und Umweltstandards fehlte. In diesem Zusammenhang kann für die Entscheidung zu seiner Wirtschaftsfähigkeit letztlich dahin stehen, ob ihm selbst als Ware seines Handelsgewerbes nur der kleinere Teil der abgestellten Fahrzeuge gehörte und der Erblasser den überwiegenden Teil beisteuerte. Seinem Vortrag entspricht es nämlich auch, dass er gemeinsam mit dem Vater dessen Gebrauchtfahrzeughandel und Landwirtschaft vor Ort betrieben habe, wobei er sich gerade auch darauf beruft, in sämtliche den Hof und den Fahrzeugbetrieb betreffenden Entscheidungen des Vaters einvernehmlich eingebunden gewesen zu sein. Hieraus folgt indes, dass jedenfalls auch in seiner Person die notwendige Vertrautheit mit den grundlegenden rechtlichen Rahmenbedingungen fehlte, unter denen die Leitung eines modernen landwirtschaftlichen Ackerbaubetriebs stattzufinden hat. Angesichts der von ihm behaupteten Billigung und Vorgehensweise des Vaters – erst recht, wenn er sich seit dem Jahr 2010 mit dem Abstellen weiterer Gebrauchtfahrzeuge über dessen Willen hinweggesetzt haben sollte – hat er die zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung mit Blick auf den väterlichen Hof im Jahre 2013 erforderlichen Kompetenzen nicht von seinem Vater erlernt und erlernen können.

Nach abschließender Abwägung all dieser Umstände ist das Oberlandesgericht Hamm vorliegend davon überzeugt, dass ihm beim Erbfall von seiner persönlichen Veranlagung und Ausrichtung her die Fähigkeit fehlte, als Berufsfremder ohne jede abgeschlossene Ausbildung – lediglich auf Basis seiner durch „Mithilfe“ in der Landwirtschaft erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten – den streitgegenständlichen Hofbetrieb seines Vaters in eigener Verantwortung künftig ordnungsgemäß weiter zu führen.

Da somit sämtliche nach § 5 Nr. 1 HöfeO vorrangig berufenen Hofereben ausscheiden, bestimmt sich die Hoferbfolge nach der gesetzlichen Vorschrift des § 5 Nr. 2 HöfeO. Danach ist die Ehefrau des Erblassers Hoferbin geworden. Bei ihr kommt es wegen der Bestimmung des § 6 VI 2 HöfeO insbesondere nicht darauf an, ob sie wegen ihrer anhaltend schweren Erkrankung ebenso wie ihre Kinder nicht wirtschaftfähig ist.

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 22. Juli 2014 – 10 W 49/14

  1. st. Rspr. des OLG Hamm, vgl. etwa: OLG Hamm, RdL 2014, 126, 127; Wöhrmann, Landwirtschaftsrecht, 9. Aufl., § 6 HöfeO, Rz. 101; Fassbender/v.Jeinsen/Hötzel/Pikalo HöfeO, 3. Auflage, § 6 HöfeO Rz. 41[]
  2. vgl. Wöhrmann, aaO, § 6 HöfeO, Rz. 119[]
  3. vgl. OLG Hamm, Entscheidungen vom 28.09.2010 – 10 W 39/10; vom 09.03.2012 – 10 W 126/11; und vom 15.11.2013 – 10 W 38/13; Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, HöfeO, 10. Auflage, § 6 HöfeO Rz. 61 ff ; Steffen/Ernst, HöfeO, 3. Auflage, § 6 HöfeO , Rz, 72 ff ; Wöhrmann, aaO, § 6 HöfeO Rz. 93 ff, 119[]
  4. vgl. OLG Celle, AgrarR 1988, 209; OLG Hamm AgrarR 1990, 112/113; sowie OLG Hamm, Entscheidungen vom 22.07.2010 – 10 W 11/10; vom 09.03.2012 – 10 W 126/11; und vom 15.11.2013 – 10 W 38/13[]