Eine landwirtschaftliche Besitzung, die im Zeitpunkt des Eintritts des Vorerbfalls ein Hof im Sinne der Höfeordnung war, wird auch dann nach dem Sondererbrecht vererbt, wenn die Hofeigenschaft vor dem Eintritt des Nacherbfalls weggefallen ist.

Nur wenn der Grundbesitz im Zeitpunkt des Todes der Mutter im Jahr 1971 ein Ehegattenhof gemäß § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 1 HöfeO in der alten Fassung nach der Verordnung vom 24.04.1947 gewesen ist, ist der Vater nach dem Tod der Mutter Hofvorerbe und der Sohn nach dem Tod des Vaters Hofnacherbe geworden.
Die Rechtslage ist in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nach dem bis zum 1.07.1976 geltenden Höferecht zu beurteilen, da nach Art. 3 § 3 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Höfeordnung vom 29.03.1976 (2. HöfeOÄndG) für die erbrechtlichen Verhältnisse die Bestimmungen der bisher geltenden Vorschriften maßgebend bleiben, wenn der Erblasser vor dem Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Juli 1976 gestorben ist. Das trifft vorliegend auf die 1971 verstorbene Mutter des Hofnacherben zu. Der den Ehegatten gemeinsam gehörende Ehegattenhof wäre, wenn er noch ein Hof im Sinne des Höferechts war, nach § 8 Abs. 1 HöfeO aF mit dem Tod der Mutter dem Vater des Klägers als Hofvorerben zugefallen.
Der Umstand, dass der Vater erst unter der Geltung des novellierten Höherechts verstorben ist, nach dem ihm der Anteil seiner verstorbenen Ehefrau allein als Hoferbe zugefallen wäre (§ 8 Abs. 1 HöfeO nF), ändert daran nichts. Da der Nacherbe nicht den Vorerben, sondern den Erblasser beerbt, bestimmt sich auch dessen Rechtsstellung nach dem im Zeitpunkt des Todes des Vorerben anzuwendenden Rechts.
Der Bundesgerichtshof teilt nicht die entgegenstehende Ansicht Stöckers, dass die in § 8 HöfeO aF gesetzlich angeordneten Vorerbschaften mit der Gesetzesänderung Vollerbschaften geworden und etwaige Anwartschaften des Nacherben entfallen seien. Dem steht entgegen, dass das Übergangsrecht in Art. 3 § 3 2. HöfeOÄndG für die Erbfälle vor dem 1.06.1976 die Fortgeltung der bisher geltenden Vorschriften bestimmt hat. Auch kann – wenn etwas Gegenteiliges im Gesetz nicht angeordnet ist – nicht davon ausgegangen werden, dass mit einer erbrechtlichen Neuregelung die nach bisherigem Erbrecht begründeten Anwartschaften der Nacherben ersatzlos weggefallen sind.
Der Bundesgerichtshof hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken an der Wirksamkeit der Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 1 HöfeO aF. Diese Vorschrift, nach der ein Ehegattenhof dem überlebenden Ehegatten, sofern der Hof nicht von ihm stammte, mit dem Tod des anderen Ehegatten (nur) als Hofvorerben zufiel, hatte allerdings zur Folge, dass der überlebende Ehegatte bezüglich des ihm bereits gehörenden Miteigentumsanteils sich „bei lebendigem Leibe“ selbst beerbte, was einen verfassungsrechtlich bedenklichen Eingriff in sein Eigentumsrecht darstellte. Die auf Besatzungsrecht beruhende Vorschrift ist indessen einer Überprüfung auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz entzogen. Es ist lediglich zu prüfen, ob ihre weitere Anwendung nach Art. 3 § 3 2. HöfeÄndG noch verfassungsgemäß ist, da der Gesetzgeber nach Art.20 Abs. 3 GG verpflichtet war, besatzungsrechtliche Vorschriften, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind, aufzuheben oder zu ändern, um eine mit dem Grundgesetz entsprechende Rechtsordnung zu schaffen.
Diesem Maßstab hält die weitere Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 HöfeO aF auf die vor dem 1.07.1976 eingetretenen Erbfälle (“Altfälle”) deshalb stand, weil aus der Vorerbschaft des überlebenden Ehegatten übertragbare und vererbbare Anwartschaftsrechte des Nacherben entstanden waren. Diese Rechte wären den Nacherben entzogen worden, wenn der Gesetzgeber angeordnet hätte, dass die Vorschrift des § 8 Abs. 1 HöfeO nF rückwirkend auch auf Altfälle anzuwenden wäre. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Gesetzesänderung als eine verfassungskonforme Erfüllung des Auftrags an den Gesetzgeber dar, die auf Besatzungsrecht beruhende Höfeordnung so zu ändern, dass ein dem Grundgesetz konformes Sondererbrecht entsteht.
Das hat jedoch nicht die Folge, dass ein Wegfall der Hofeigenschaft bis zum Nacherbfall im Jahre 1992 für die Entscheidung über die Anträge bedeutungslos wäre.
Nach der in Rechtsprechung und im Schrifttum überwiegend vertretenen Ansicht vererbt sich eine Besitzung, die im Zeitpunkt des Eintritts des Vorerbfalls ein Hof im Sinne der Höfeordnung war, auch dann nach dem Sondererbrecht, wenn die Hofeigenschaft vor dem Eintritt des Nacherbfalls weggefallen ist. Die Hofeigenschaft wird bis zum Eintritt des Nacherbfalls als fortbestehend angesehen.
Dem steht die Ansicht gegenüber, nach der sich ein Grundbesitz stets – auch bei bestehender Vorerbschaft – nicht mehr nach der Höfeordnung vererbt, wenn die Hofmerkmale wegfallen. Der Grundbesitz soll dann dem allgemeinen Grundstücks- und Erbrecht zu unterstellen sein.
Der Bundesgerichtshof hält grundsätzlich die erstgenannte Auffassung für unzutreffend, dass mit dem Verlust der Hofeigenschaft zwar die durch den Vorerbfall begründete Nacherbenanwartschaft nicht erlischt. Die Geltendmachung der Ansprüche als Hofnacherbe stellt sich aber dann als eine nach § 242 BGB unzulässige Rechtsausübung dar, wenn die Besitzung bereits im Zeitpunkt des Vorerbfalls jedenfalls nicht als ein Hof im Sinne der Höfeordnung behandelt wurde und es im Zeitpunkt des Nacherbfalls tatsächlich nicht mehr ist.
Verliert eine ehemalige landwirtschaftliche Besitzung während der Vorerbschaft ihre Hofeigenschaft, entsteht ein Zielkonflikt zwischen dem erbrechtlichen Grundsatz der Einheitlichkeit des für Vor- und Nacherbfolge geltenden Rechts, auf dem die Anwartschaft des Hofnacherben beruht, und dem Gleichheitssatz, der eine Sondererbfolge in eine nicht mehr bewirtschaftete und zu bewirtschaftende oder in eine verstümmelte ehemalige landwirtschaftliche Besitzung verbietet.
Die wesentlichen Ziele des Anerbenrechts nach der Höfeordnung werden in solchen Fällen bei der Nacherbschaft verfehlt. Die Sondererbfolge in einen bestimmten Teil des Vermögens soll nicht privatwirtschaftliche Interessen des Hoferben fördern, sondern dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung leistungsfähiger Höfe in bäuerlichen Familien dienen, um die Volksernährung sicherzustellen. Zu diesem Zweck wirkt das Anerbenrecht der Zerschlagung bäuerlicher Betriebe, der Zersplitterung des Bodens und der bei der Abfindung der weichenden Erben drohenden Gefahr der Überschuldung entgegen.
Dem widerspricht es, wenn dem Nacherben noch die Vorteile des Höferechts zugutekommen, obwohl der Besitzung bei dem Anfall der Nacherbschaft nach § 2139 BGB die Hofeigenschaft fehlt, ohne die sie grundsätzlich nicht als Sondervermögen nach Maßgabe der Höfeordnung vererbt werden kann. Nur für die landwirtschaftlichen Betriebe ist das Interesse gesetzlich anerkannt, den im Besitz der Familie befindlichen Hof dadurch in der Familie zu halten, dass er geschlossen auf einen Nachfolger übertragen wird.
Der Konflikt lässt sich jedoch nicht so auflösen, dass man das anzuwendende Erbrecht (Erbstatut) nach den Verhältnissen bei Eintritt des Nacherbfalls bestimmt. Dies widerspräche nicht nur den erbrechtlichen Prinzipien, dass Vor- und Nacherben wahre Erben desselben Erblassers und ein und derselben Erbschaft sind und sich Vor- und Nacherbschaft grundsätzlich nach dem Recht richten, das für den Erbfall gegolten hat, sondern auch den an den Vorerbfall anknüpfenden Vorschriften des Höferechts über die Abfindungs- (§ 12 HöfeO) und Nachabfindungsansprüche (§ 13 HöfeO).
Wäre mit dem Wegfall der Hofeigenschaft vor dem Anfall der Nacherbschaft ein Wechsel des Erbstatuts (vom Höferecht zum allgemeinen Erbrecht) verbunden, änderten sich damit auch die Eigentumsverhältnisse an den zur landwirtschaftlichen Besitzung gehörenden Grundstücken und die Grundlagen für die Berechnung der Abfindungs- und Pflichtteilsansprüche. Die Folgen wären eine nicht mehr hinnehmbare Rechtsunsicherheit und enorme praktische Schwierigkeiten.
Die mit einem Wechsel des Erbstatuts verbundenen Unzuträglichkeiten treten jedoch nicht ein, wenn der Vor- und der Nacherbfall tatsächlich nach dem allgemeinen Erbrecht abgewickelt werden. Sind alle Erbprätendenten (sei es auch zu Unrecht) bereits bei dem Vorerbfall davon ausgegangen, dass das allgemeine Erbrecht anzuwenden ist, und haben sie sich auch entsprechend verhalten, ist einem Hofnacherben die Berufung auf das Sondererbrecht versagt, wenn die früher landwirtschaftliche Besitzung jedenfalls bei Eintritt des Nacherbfalls auf Dauer ihre Hofeigenschaft verloren hat. Eine solche Rechtsverfolgung stellt sich als eine mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unvereinbare Rechtsausübung dar. Für die Geltendmachung der Rechte als Hoferbe fehlt ein schutzwürdiges Eigeninteresse, wenn es nicht mehr um den Erhalt eines landwirtschaftlichen Betriebes, sondern nur noch um die Erlangung eines den Zwecken des Sondererbrechts nicht entsprechenden Vorteils bei der Auseinandersetzung des Nachlasses geht.
Vor diesem Hintergrund wäre das – unter Abkehr von dem viele Jahre von allen Erbprätendenten vertretenen Standpunkt – Berufen eines Hofnacherben auf das Höferecht als treuwidrig anzusehen; dies stünde der Verfolgung der sich aus dem Erbrecht und dem Eigentum folgenden Ansprüche entgegen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. November 2012 – BLw 12/11







