Umsatzsteuerpflicht bei entgeltlicher Unterkunftsgewährung an Erntehelfer

Wer in seinem Betrieb Erntehelfer beschäftigt und diesen gegen Abzug vom Arbeitslohn Unterkunft zur Verfügung stellt, erbringt mit der Gewährung von Unterkunft umsatzsteuerpflichtige Leistungen.

Umsatzsteuerpflicht bei entgeltlicher Unterkunftsgewährung an Erntehelfer

Die Leistungen des Landwirts an die Erntehelfer sind steuerbar.

Der Landwirt hat durch die Gewährung von Unterkunft gegen Lohneinbehalt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG entgeltliche Leistungen an die Erntehelfer erbracht. Der nach dieser Vorschrift erforderliche Leistungsaustausch ergibt sich daraus, dass der Lohneinbehalt zu Lasten des Erntehelfers wie eine Zahlung durch diesen wirkt.

Bestätigt wird dies durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in Sachen “Astra Zeneca UK”. Danach erbringt der Arbeitgeber eine Sachleistung gegen Entgelt an seine Arbeitnehmer, wenn diese anstatt ihre gesamte Vergütung in bar zu erhalten, auf einen Teil dieser Vergütung im Austausch gegen die Sachleistung verzichten müssen.

Steuerfrei ist nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG “die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken, von Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und von staatlichen Hoheitsrechten, die Nutzungen von Grund und Boden betreffen”. Dies beruhte in den Streitjahren unionsrechtlich auf Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG, wonach die “Vermietung und Verpachtung von Grundstücken” steuerfrei war.

Eine Vermietung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG liegt aufgrund richtlinienkonformer Auslegung vor, wenn der Vermieter dem Mieter das Recht einräumt, einen Gegenstand auf bestimmte Zeit gegen Vergütung so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen.

Der Bundesfinanzhof brauchte vorliegend nicht zu entscheiden, ob der Landwirt im Streitfall den Erntehelfern jeweils das für eine Vermietung charakteristische Besitzrecht eingeräumt hat. Denn selbst wenn von einer nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfreien Vermietung auszugehen wäre, sind die Leistungen des Landwirts zumindest nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steuerpflichtig.

Nicht steuerfrei ist nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG u.a. “die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält”. Diese Regelung beruht unionsrechtlich auf Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach sind insbesondere die “Gewährung von Unterkunft nach den gesetzlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten im Rahmen des Hotelgewerbes oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung, einschließlich der Vermietung in Ferienlagern” von der Steuerfreiheit für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ausgeschlossen.

§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG unterscheidet sich vom Grundtatbestand des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG nur durch die an den Mietgegenstand zu stellenden Anforderungen, bei dem es sich um zur kurzfristigen Beherbergung bereitgehaltene Wohn- und Schlafräume handeln muss. Besteuerungssystematisch ist § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG daher ein Ausnahmetatbestand zu § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG. Dementsprechend ist z.B. die auf Dauer angelegte Vermietung möblierter Wohn- und Schlafräume nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei, da dann im Hinblick auf das Zeitelement die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG nicht vorliegen. Dies entspricht der EuGH-Rechtsprechung. Nach dem EuGH-Urteil “Elisabeth Blasi” ist die Dauer der Beherbergung –bei der Überlassung “vollständig möblierter und mit Kochgelegenheiten ausgestatteter Zimmer”, bei der der Vermieter “für die Gestellung und Reinigung der Bettwäsche sowie für die Reinigung der Flure, Treppenhäuser, Bäder und WCs” zu sorgen hat– ein geeignetes Kriterium für die Unterscheidung zwischen der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe (als steuerpflichtigem Umsatz) einerseits und der Vermietung von Wohnräumen (als befreitem Umsatz) andererseits, da sich die Beherbergung im Hotel u.a. gerade bezüglich der Verweildauer von der Vermietung eines Wohnraumes unterscheidet. Daher ist eine langfristige Vermietung von Räumlichkeiten trotz der zusätzlichen Überlassung von Einrichtungsgegenständen und der Erbringung von Reinigungsleistungen bei einer Laufzeit von mindestens sechs Monaten als Vermietung in vollem Umfang steuerfrei.

Im Streitfall waren die Leistungen des Landwirts nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steuerpflichtig. Entgegen seiner Auffassung kommt es für die Steuerpflicht nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG auf die (beabsichtigte) Dauer der Nutzungsüberlassung zur Beherbergung, nicht aber auf andere Voraussetzungen an. Der Landwirt kann sich hiergegen auch nicht auf das Unionsrecht berufen, da die Dauer der Beherbergung nach dem EuGH, Urteil Elisabeth Blasi in Slg. 1998, I-481 ein geeignetes Kriterium für die Unterscheidung zwischen der steuerpflichtigen Gewährung von Unterkunft zur steuerfreien Vermietung ist.

Im Übrigen ist nicht nach der Person des Leistungsempfängers zu differenzieren, so dass auch die Vermietung an das eigene Personal unter den allgemeinen Voraussetzungen von § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steuerpflichtig ist. Auch beim eigenen Personal handelt es sich insoweit nach der Rechtsprechung des BFH um “Fremde”, da dieser Begriff nur der Abgrenzung von Logierbesuchen von Verwandten und Freunden dient.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 8. August 2013 – V R 7/13