Vorsteuerabzug beim Wechsel von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung

Bezieht eine GbR, deren landwirtschaftliche Tätigkeit bei Leistungsbezug der Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 Abs. 1 UStG unterliegt, für diese landwirtschaftliche Tätigkeit eine Eingangsleistung, ist der Vorsteuerabzug auch dann nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG, Art. 302 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) ausgeschlossen, wenn die Eingangsleistung für Umsätze im Folgejahr verwendet wird, in dem diese Tätigkeit kraft Gesetzes der Regelbesteuerung unterliegt. Wechselt der Steuerpflichtige zwischen Leistungsbezug und Verwendungsumsatz freiwillig oder kraft Gesetzes von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung, ist der Vorsteuerabzug unter den Voraussetzungen der § 15a Abs. 7 UStG, Art.192 MwStSystRL zu berichtigen.

Vorsteuerabzug beim Wechsel von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung

Für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze werden die Steuer -mit Ausnahme der im Streitfall nicht einschlägigen Lieferungen und sonstigen Leistungen im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UStG- gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG und die diesen Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG auf jeweils 10, 7 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Dadurch gleichen sich Steuer und Vorsteuer aus, sodass der Landwirt im Ergebnis für diese Umsätze keine Umsatzsteuer zu entrichten hat.

Der Vorsteuerabzug aufgrund tatsächlicher Leistungsbezüge für den landwirtschaftlichen Betrieb war bei Leistungsbezug nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ausgeschlossen; denn das Verbot eines weiteren Vorsteuerabzugs gemäß § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG bezieht sich auf den Zurechnungsbereich des Leistungsbezugs zu den land- und forstwirtschaftlichen Umsätzen[1]. Der Vorsteuerabzug erfolgt pauschal. In der zunächst sinngemäß enthaltenen und später ausdrücklich ausgesprochenen gesetzlichen Anordnung in § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG des Inhalts, dass ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt, ist eine Regelung zu sehen, mit der ausgeschlossen wird, dass neben der Vorsteuerpauschalierung (§ 24 Abs. 1 UStG) zusätzlich aufgrund von einzelnen Leistungsbezügen für den unter § 24 UStG fallenden Unternehmensteil nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 UStG Vorsteuern abgezogen werden dürfen[2]. Besteht -wie im Streitfall- im Jahr des Leistungsbezugs nur ein der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegendes landwirtschaftliches Unternehmen, so kommt von vornherein nur eine Zuordnung der Eingangsleistung zu diesem Unternehmen in Betracht mit der Folge, dass statt des Abzugs der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer als Vorsteuer gemäß § 15 UStG nur eine Vorsteuerentlastung nach § 24 Abs. 1 Satz 3 und 4 UStG, bemessen nach Ausgangsumsätzen, eintritt[3].

Kommt es zwischen Leistungsbezug und Verwendungsumsatz zu einem Übergang von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung, gelangt mit § 15a Abs. 7 Halbsatz 2 UStG eine gesetzliche Vorschrift zur Anwendung, die eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs ermöglicht und damit Inkongruenzen ausgleicht. Im Fall des Wechsels verbleibt es bei dem unter 3.b genannten Grundsatz; zunächst ist der (weitere) Vorsteuerabzug nach § 15 UStG aufgrund der Regelung des § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ausgeschlossen und nach dem Wechsel zur allgemeinen Besteuerung gegeben[4].

Zu § 19 UStG hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein Unternehmer, der als Kleinunternehmer (§ 19 Abs. 1 UStG) eine Leistung bezieht, im nachfolgenden Besteuerungszeitraum zur Regelbesteuerung wechselt und in diesem für die bezogene Leistung eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis erhält, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, weil es in Bezug auf die erhaltene Leistung an der persönlichen Berechtigung zum Vorsteuerabzug fehlt[5].

Wechselt ein Unternehmer, der seine Umsätze gemäß § 24 Abs. 1 UStG pauschal versteuert und im Zeitraum dieser Besteuerungsform Lieferungen und sonstige Leistungen bezogen hat, später zur Regelbesteuerung, sind die mit diesen Vorbezügen verbundenen Vorsteuern auch dann durch die Vorsteuerpauschalierung nach § 24 UStG abgegolten, wenn der Unternehmer die Rechnungen für diese Vorbezüge erst nach dem Wechsel der Besteuerungsform erhält[6]. Für den pauschalen Vorsteuerabzug ist die Regelung bestimmend, die im Rahmen der für den Land- und Forstwirt zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Besteuerungsform gilt. Bei der Besteuerung nach § 24 Abs. 1 UStG wird die reale Vorsteuerbelastung durch einen fiktiven Betrag abgegolten. Selbst durch eine ausschließliche Zuordnung des Leistungsbezugs eines gemischt eingesetzten Gegenstandes zum landwirtschaftlichen Betrieb (§ 24 UStG) käme es zur Verhinderung der Entlastung[7].

Der Unternehmer wird dadurch nicht schutzlos gelassen. Vielmehr liegt eine Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse auch dann vor, wenn ein Land- und Forstwirt von der Regelbesteuerung zur Durchschnittssatzbesteuerung oder umgekehrt wechselt (§ 15a Abs. 7 Halbsatz 2 UStG)[8].

Die genannten Grundsätze gelten im Übrigen auch im umgekehrten Fall: Wechselt der Steuerpflichtige von der Regelbesteuerung zur Durchschnittssatzbesteuerung, verbleibt es beim Vorsteuerabzug bei Leistungsbezug gemäß § 15 UStG; es erfolgt auch dann nur eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a Abs. 7 UStG[9].

Die oben in Bezug genommene Rechtsprechung betrifft Konstellationen, in denen der Steuerpflichtige freiwillig die Besteuerungsform wechselt. Für den Fall, dass der Wechsel kraft Gesetzes eintritt, gilt indes nichts anderes[10]. Auch Gesetzesänderungen können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu Vorsteuerberichtigungen führen[11]. Es verbleibt die Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a Abs. 7 Halbsatz 2 UStG zu dem Zeitpunkt, zu dem die Pauschalbesteuerung nicht mehr zulässig ist.

Das Unionsrecht steht dem nicht entgegen.

Nach Art. 302 MwStSystRL hat ein Pauschallandwirt, der einen Pauschalausgleich in Anspruch nimmt, in Bezug auf die dieser Pauschalregelung unterliegenden Tätigkeiten kein Recht auf Vorsteuerabzug. Geht der Steuerpflichtige von der normalen Mehrwertsteuerregelung auf eine Sonderregelung über oder umgekehrt, können nach Art.192 MwStSystRL die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorkehrungen treffen, um zu vermeiden, dass dem Steuerpflichtigen dadurch ungerechtfertigte Vorteile oder Nachteile entstehen. Ebenso wie § 15a Abs. 7 UStG sieht Art.192 MwStSystRL den Übergang von der normalen Mehrwertsteuerregelung auf eine Sonderregelung oder umgekehrt als Fall der Berichtigung des Vorsteuerabzugs an.

Soweit unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13.11.2013[12] von einer umsatzbezogenen Betrachtung ausgeht, geht das Unionsrecht in Art. 302 MwStSystRL von Tätigkeiten und nicht von Umsätzen aus. Die Tätigkeit der Landwirtschafts-GbR im Jahr 2021 war eine landwirtschaftliche Tätigkeit (Tierzucht beziehungsweise Tierhaltung, Art. 295 Abs. 1 Nr. 2 MwStSystRL i.V.m. Anh. VII Nr. 2) einer landwirtschaftlichen Erzeugerin (Art. 295 Abs. 1 Nr. 3 MwStSystRL). In Bezug auf diese Tätigkeit hat die Landwirtschafts-GbR somit nach Art. 302 MwStSystRL im Jahr 2021 kein Recht auf Vorsteuerabzug. Entstehen daraus ungerechtfertigte Vor- oder Nachteile, so sind diese nach Art.192 MwStSystRL auszugleichen. Die Umsetzung dieser Bestimmung steht nicht im Ermessen des Mitgliedstaats[13]; sie hat der deutsche Gesetzgeber mit § 15a Abs. 7 Halbsatz 2 UStG vorgenommen[14].

Das in diesem Zusammenhang ebenfalls angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13.11.2013[15] bezieht sich außerdem auf die Zuordnungsfrage, ob Vorsteuern aus verschiedenen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen dem Bereich der Durchschnittssatzbesteuerung oder dem Bereich der Regelbesteuerung zuzuordnen sind[16]. Im Streitfall geht es hingegen um die Frage, welche Konsequenzen sich aus dem Wechsel des Besteuerungssystems einer einzigen (landwirtschaftlichen) Tätigkeit, die von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung wechselt, ergeben. Hier bedarf es insoweit einer tätigkeitsbezogenen Sicht, die sich unionsrechtlich aus Art.192 MwStSystRL i.V.m. § 15a Abs. 7 UStG ergibt.

Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22.03.2001[17] ergibt sich ebenfalls nichts anderes; denn im dortigen Fall wurde im Zeitpunkt des Leistungsbezugs keine der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegende Tätigkeit ausgeübt. Außerdem wurde erklärt, dass zur Regelbesteuerung optiert wird.

Diese Auslegung des § 24 UStG entspricht auch den formellen Anforderungen, die mit dem Wechsel zur Regelbesteuerung einhergehen. So setzt zum Beispiel erst mit dem Übergang zur Regelbesteuerung die Aufzeichnungspflicht des § 22 Abs. 2 Nr. 5 und 6 UStG für den Land- und Forstwirt ein. Davor ist der land- und forstwirtschaftliche Betrieb (auch) von ihr befreit (§ 67 Satz 1 UStDV). Die gegenteilige Ansicht der Landwirtschafts-GbR und der Vorinstanz würde zu erheblichen Nachweisproblemen führen.

Ob die in § 15a Abs. 7 UStG, Art.192 MwStSystRL vorgesehene Vorsteuerberichtigung im Jahr 2022 aufgrund von § 44 UStDV ausgeschlossen ist, war vom Bundesfinanzhof im vorliegenden Streitfall, der das Jahr 2021 betrifft, nicht zu entscheiden.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 12. Juli 2023 – XI R 14/22

  1. vgl. BFH, Urteil vom 16.12.1993 – V R 79/91, BFHE 173, 265, BStBl II 1994, 339, unter II. 1.c aa[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 26.02.1987 – V R 71/77, BFHE 150, 165, BStBl II 1987, 685, unter II. 1.c[]
  3. vgl. BFH, Urteil vom 10.11.1994 – V R 87/93, BFHE 176, 477, BStBl II 1995, 218, unter II.B.I. 3.[]
  4. vgl. BFH, Urteil vom 12.06.2008 – V R 22/06, BFHE 222, 106, BStBl II 2009, 165, unter II. 1.c[]
  5. vgl. BFH, Urteil vom 17.09.1981 – V R 76/75, BFHE 134, 461, BStBl II 1982, 198[]
  6. vgl. BFH, Urteil vom 06.12.1979 – V R 87/72, BFHE 129, 425, BStBl II 1980, 167[]
  7. vgl. BFH, Urteil vom 16.12.1993 – V R 79/91, BFHE 173, 265, BStBl II 1994, 339, Rz 18[]
  8. s.a. schon vor dessen Inkrafttreten BFH, Urteile vom 06.12.2001 – V R 6/01, BFHE 197, 338, BStBl II 2002, 555, unter II. 2.; vom 17.06.2004 – V R 31/02, BFHE 205, 549, BStBl II 2004, 858, unter II. 3.; vom 24.11.2005 – V R 37/04, BFHE 211, 411, BStBl II 2006, 466; vom 12.06.2008 – V R 22/06, BFHE 222, 106, BStBl II 2009, 165; vom 14.07.2010 – XI R 9/09, BFHE 231, 253, BStBl II 2010, 1086, Rz 15; BFH, Beschluss vom 13.06.2018 – XI R 5/17, BFHE 262, 233, Rz 66[]
  9. vgl. Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 17.05.2022 – 4 K 55/21, EFG 2022, 1334[]
  10. vgl. Schüler-Täsch in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 24 Rz 343 f.; Busch in Offerhaus/Söhn/Lange, § 24 UStG Rz 570 ff.; BeckOK UStG/S. Müller, § 24 Rz 800[]
  11. vgl. BFH, Beschluss vom 05.06.2014 – XI R 31/09, BFHE 245, 447, Rz 69 f.; und nachfolgend EuGH, Urteil „Wolfgang und Wilfried Rey Grundstücksgemeinschaft GbR“ vom 09.06.2016 – C-332/14, EU:C:2016:417, Rz 37 ff.[]
  12. BFH, Urteil vom 13.11.2013 – XI R 2/11, BFHE 243, 462, BStBl II 2014, 543[]
  13. vgl. BFH, Urteile vom 17.06.2004 – V R 31/02, BFHE 205, 549, BStBl II 2004, 858, Rz 42 ff.; vom 12.06.2008 – V R 22/06, BFHE 222, 106, BStBl II 2009, 165, unter II. 1.d[]
  14. vgl. BFH, Urteil vom 12.02.2009 – V R 85/07, BFHE 224, 473, BStBl II 2010, 76, Rz 14 und zu Umlaufvermögen s. Rz 15[]
  15. BFH, Urteil vom 13.11.2013 – XI R 2/11, BFHE 243, 462, BStBl II 2014, 543, Rz 37[]
  16. vgl. dazu auch BFH, Urteile vom 23.01.2013 – XI R 27/11, BFHE 240, 422, BStBl II 2013, 458; vom 24.01.2013 – V R 34/11, BFHE 239, 552, BStBl II 2013, 460[]
  17. BFH, Urteil vom 22.03.2001 – V R 39/00, BFH/NV 2001, 1153[]