Hofübergabe gegen Versorgungsleistungen – und die Ertragsprognose

Die steuerrechtliche Behandlung der Versorgungsleistungen als dauernde Last/wiederkehrende Bezüge „beruht auf dem Umstand, dass sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen“[1].

Hofübergabe gegen Versorgungsleistungen – und die Ertragsprognose

Dem liegt nach dem Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95 die normleitende Vorstellung zugrunde, dass der Übergeber das Vermögen -ähnlich wie beim Nießbrauchsvorbehalt- ohne die vorbehaltenen Erträge, die ihm nunmehr als Versorgungsleistungen zufließen, übertragen hat. Maßgebendes Kriterium für die Frage, ob ein Wirtschaftsgut Gegenstand einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sein kann, ist, so der Große Senat, „die Vergleichbarkeit mit dem Vorbehaltsnießbrauch. Die Vermögensübergabe muss sich so darstellen, dass die vom Übernehmer zugesagten Leistungen -obwohl sie von ihm erwirtschaftet werden müssen- als zuvor vom Übergeber vorbehaltene -abgespaltene- Nettoerträge vorstellbar sind“. Dies ist für die Abziehbarkeit und materiell-rechtlich korrespondierend für die Steuerbarkeit der privaten Versorgungsrente konstituierend[2].

Die im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbarten wiederkehrenden Leistungen, die nicht aus den erzielbaren Nettoerträgen des übernommenen Vermögens gezahlt werden können, sind hingegen Entgelt für das übernommene Vermögen. Dabei sind die erzielbaren Nettoerträge indes nicht notwendig mit den steuerlichen Einkünften identisch, sondern u.a. um AfA sowie Nutzungsvorteile zu erhöhen[3].

Zur Feststellung der erzielbaren Nettoerträge ist eine Prognose vorzunehmen. Bei dieser Ertragsprognose ist nach dem Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95 auf die Verhältnisse bei Vertragsschluss abzustellen. Zur praktischen Durchführung der Prognose hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs Vermutungen aufgestellt: Soweit in der Vergangenheit ausreichende Überschüsse erwirtschaftet worden seien, böten diese einen gewichtigen Anhaltspunkt. Unter diesem Gesichtspunkt hielt es der Große Senat für zutreffend, wenn der Ertragsprognose der durchschnittliche Nettoertrag des Jahres der Übergabe und der beiden vorangegangenen Jahre zugrunde gelegt wird.

Die Nettoerträge können nach Auffassung des Großen Senats im Beschluss in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95 aber auch nach den günstigeren Prognosen des Übernehmers ermittelt werden, wenn das übergebene Vermögen beim Übergeber -etwa wegen dessen fortgeschrittenen Alters- nur noch geringe Erträge abgeworfen hat, beim Übernehmer jedoch ausreichende Erträge erwarten lässt. Hierfür liegt die Beweislast beim Übernehmer, wobei, so der Große Senat des Bundesfinanzhofs in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, die tatsächliche spätere Entwicklung als Beweisanzeichen herangezogen werden kann. Insoweit darf nur ein überschaubarer Prognosezeitraum zugrunde gelegt werden. Dieser umfasst neben dem Jahr der Übergabe die beiden folgenden Jahre[4]. In diese Ertragsprognose sind vor allem die Erträge einzubeziehen, die auf eine veränderte Unternehmensführung bzw. Bewirtschaftung zurückzuführen sind. Soweit die Ergebnissteigerung aber Folge vom Übernehmer vorgenommener wesentlicher, über die bloße Erhaltung und Reparatur hinausgehender Veränderungen am übergebenen Vermögen ist, bleibt sie für die Ertragsprognose ohne Bedeutung. Denn in einem solchen Fall handelt es sich nicht mehr um den Ertrag des „übergebenen“ Vermögens[5].

Bei Unternehmensübertragungen schließlich existiert eine Beweiserleichterung. Nach dem Beschluss des Großen Senats in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95 besteht im Falle der Übertragung eines gewerblichen Unternehmens gegen wiederkehrende Bezüge im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge eine nur in seltenen Ausnahmefällen widerlegliche Vermutung dafür, dass die Beteiligten im Zeitpunkt der Übertragung angenommen haben, der Betrieb werde auf die Dauer ausreichende Gewinne erwirtschaften, um die wiederkehrenden Leistungen abzudecken. Gleiches sollte nach dem Beschluss des Großen Senats in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95 auch für die Übertragung von Unternehmen gelten, mit denen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt werden oder für die Übertragung landwirtschaftlicher Betriebe.

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall konnte sich de Hofübernehmer allerdings nicht auf die zugunsten des Übernehmers aufgestellten Vermutungen zur Ertragsprognose berufen: Im Streitfall hat der von ihm übernommene landwirtschaftliche Betrieb im Jahr der Vermögensübergabe und in den beiden Vorjahren auch bei Hinzurechnung der Abschreibungen und des Nutzungswerts der Wohnung des Vermögensübergebers durchgehend Verluste erwirtschaftet.

Die generelle Vermutung nach dem Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, der Betrieb werde auf Dauer ausreichende Gewinne erwirtschaften, um die vereinbarten wiederkehrenden Leistungen abzudecken, ist deshalb im Streitfall durch die konkreten Zahlen widerlegt.

Da es sich bei der Ertragsprognose um eine „überschlägige Berechnung“[6] handelt und der Sonderausgabenabzug nicht daran scheitern soll, dass die erzielbaren Nettoerträge die Summe der versprochenen Vermögenserträge geringfügig unterschreiten, ist die im Steuerrecht allgemein anerkannte Geringfügigkeitsgrenze von 10 %[7] auch bei der Ertragsprognose anwendbar[5]. Im Streitfall unterschreiten aber die vom Vermögensübergeber erzielten Erträge die vertraglich vereinbarten Versorgungsleistungen nicht nur geringfügig.

Auch die tatsächliche Entwicklung des Betriebs in den beiden Jahren nach der Vermögensübergabe konnte nicht als Beweisanzeichen dafür herangezogen werden, die Vertragsparteien hätten im Zeitpunkt der Vermögensübergabe davon ausgehen können, die Erträge des übergebenen Vermögens würden die zugesagten Versorgungsleistungen abdecken. Im ersten Jahr nach der Vermögensübertragung (2007) hat der Übernehmer ebenfalls einen Verlust erwirtschaftet (trotz Hinzurechnung der AfA und des Wohnwerts der überlassenen Wohnung), und die positiven Einkünfte des Übernehmers im zweiten Jahr nach der Vermögensübergabe (ebenfalls nach Hinzurechnung der AfA und des Wohnwerts der überlassenen Wohnung) reichten nicht aus, die vertraglich vereinbarten Versorgungsleistungen zu erfüllen. Auf letztere und nicht nur auf die tatsächlich erbrachten Barleistungen ist abzustellen, weil der Übernehmer hierzu vertraglich verpflichtet war, auch wenn sie der Übergeber nicht in Anspruch genommen hat.

Der Vortrag des Übernehmers, der Prognosezeitraum bei der Übergabe eines Verlustbetriebs könne nicht auf das Jahr der Übergabe und die beiden Folgejahre beschränkt werden, geht an der Sache vorbei. Die nach dem Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95 notwendige Ertragsprognose bezieht sich stets nur auf die Verhältnisse bei Vertragsschluss. Ausreichende Erträge des übergebenen Vermögens im Jahr der Übergabe sowie den beiden Vorjahren bzw. Folgejahren begründen nach Maßgabe dieses Beschlusses lediglich zugunsten des Übernehmers eine Vermutung für diese zeitpunktbezogene Ertragsprognose. Sind deren Voraussetzungen nicht erfüllt, so bleibt nach dem Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95 die Beweislast beim Vermögensübernehmer, dass er im Zeitpunkt der Vermögensübergabe davon ausgehen konnte, er werde -anders als der Vermögensübergeber- Erträge erzielen, die die Versorgungsleistungen decken.

Schließlich kann sich der Übernehmer nicht auf die besonderen Beweiserleichterungen für Unternehmen berufen, da mit dem Betrieb sowohl im Übergabejahr als auch in den Vorjahren bzw. Folgejahren ausschließlich Verluste erzielt wurden. Eine positive Ertragsprognose kann auf diese Ertragslage nicht gestützt werden. Unter diesen Umständen ist auch die -starke- Vermutung zugunsten des Übernehmers eines Unternehmens widerlegt.

Dem Übernehmer bleibt es jedoch unbenommen, ohne Rückgriff auf Vermutungen allein anhand der konkreten Umstände des Falles nachzuweisen, dass im Zeitpunkt der Vermögensübergabe für die Zukunft ausreichend hohe Nettoerträge zu erwarten waren.

Es ist daher zu klären, ob die Vertragsparteien im Zeitpunkt der Vermögensübergabe davon ausgehen konnten, der Ertrag des übergebenen Vermögens werde -trotz der Verluste im Jahr der Vermögensübergabe und den Vorjahren- ausreichen, die vereinbarten Versorgungsleistungen (Bar- und Sachleistungen) zu decken. Die Größe des übergebenen Betriebs (hier: mehr als 44 ha) und die Eigenkapitalausstattung (hier im Wirtschaftsjahr 2006/2007: 714.513,26 €) sind hierfür ür sich allein ohne Bedeutung. Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95 sind die Substanz und der Substanzwert des übergebenen Betriebs angesichts der geforderten Vergleichbarkeit mit dem Nießbrauchsrecht ohne Belang. Entscheidend ist lediglich, ob die Vertragsparteien im Zeitpunkt der Vermögensübergabe trotz oder wegen der Produktionszyklen, der Marktpreisschwankungen, der Abhängigkeit von Witterungsbedingungen und der Verderblichkeit der produzierten Güter in der Landwirtschaft im Zeitpunkt der Vermögensübergabe davon ausgehen konnten, die Erträge des übergebenen Betriebs werden die Versorgungsleistungen decken. Ob die vorhandene Substanz im Einzelfall einen Schluss auf die Ertragsfähigkeit des Betriebs zulassen könnte, hängt von den Umständen ab. Die Beweislast für sämtliche Tatsachen, die eine positive Ertragsprognose zum Stichtag begründen, liegt beim Übernehmer.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 8. Juli 2015 – X R 47/14

  1. BFH, Beschluss vom 05.07.1990 – GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847[]
  2. BFH, Urteil vom 16.06.2004 – X R 50/01, BFHE 207, 114, BStBl II 2005, 130, unter II. 1.b der Gründe[]
  3. BFH, Beschluss des Großen Senats in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, unter C.II. 3.[]
  4. BFH, Urteil in BFHE 206, 400, BStBl II 2004, 1053[]
  5. BFH, Urteil in BFHE 207, 114, BStBl II 2005, 130[][]
  6. Kempermann, DStR 2003, 1736, 1740[]
  7. vgl. dazu BFH, Urteil vom 14.01.2004 – X R 37/02, BFHE 205, 96, BStBl II 2004, 493, mit umfangreichen Nachweisen[]