Die Kündigung des Geschäftsguthabens an einer Genossenschaft nach § 65 des Genossenschaftsgesetzes ist als Veräußerungstatbestand im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 7 EStG zu werten.

Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns aus der Kündigung von Genossenschaftsanteilen, die aus eigenen Mitteln der Genossenschaft geschaffen wurden, ist der Anwendungsbereich des § 3 i.V.m. § 1 des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer (KapErhStG) nicht eröffnet. Das allgemeine Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes gebietet keine Einbeziehung von Genossenschaften in den Anwendungsbereich von § 3 i.V.m. § 1 KapErhStG. Soweit die Gewährung von Vertrauensschutz wegen unechter Rückwirkung im Zusammenhang mit der Einführung von § 17 Abs. 7 EStG in Betracht kommt, gilt dies jedenfalls nur für bis zum Inkrafttreten dieser Regelung zum 13.12.2006 angefallene Wertsteigerungen.
Kündigung als Veräußerung
Die Kündigung der Genossenschaftsanteile erfüllt dem Grunde nach den Einkünftetatbestand des § 17 EStG.
Nach § 17 Abs. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft qualifiziert -das heißt unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 %- beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen gehalten hat. Als Anteile im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gelten nach Abs. 7 der Vorschrift auch Anteile an einer Genossenschaft einschließlich der Europäischen Genossenschaft.
Nach der Bundesfinanzhofsrechtsprechung sind sowohl die Übertragung des Geschäftsguthabens an einer Genossenschaft nach § 76 GenG als auch die Kündigung der Mitgliedschaft nach § 65 GenG -unter besonderer Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG- als Veräußerungstatbestände im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 7 EStG zu werten[1].
Ermittlung des Veräußerungsgewinns
Veräußerungsgewinn im Sinne von § 17 Abs. 1 EStG ist gemäß Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Der Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung, das heißt der Zeitpunkt, zu dem das rechtliche oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergegangen ist[2].
Welche Aufwendungen unter den in § 17 Abs. 2 EStG verwendeten Begriff der Anschaffungskosten fallen, bestimmt inzwischen § 17 Abs. 2a EStG. Diese durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019[3] eingeführte Regelung findet auf die hier betroffenen Veranlagungszeiträume 2013, 2015 und 2016 jedoch noch keine Anwendung. § 17 Abs. 2a EStG greift nach § 52 Abs. 25a Satz 1 EStG erstmals für Veräußerungen und diesen gleichgestellte Vorgänge nach dem 31.07.2019. Ein Antrag für eine rückwirkende Anwendung von § 17 Abs. 2a EStG auf davor liegende Zeiträume nach § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG ist nicht gestellt worden.
Bis zur Einführung von § 17 Abs. 2a EStG wurde der in § 17 Abs. 2 EStG verwendete Begriff der „Anschaffungskosten“ von der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Sinne des § 6 EStG und des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs ausgelegt[4]. Danach sind Anschaffungskosten unter anderem Aufwendungen, die -„tatsächlich“[5]– geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben[6]. Soweit nach der BFH-Rechtsprechung vom 14.01.2020[7] hiervon abweichend eine Bemessung der Anschaffungskosten an Genossenschaftsanteilen nach der sogenannten Equity-Methode erfolgen kann, gilt dies jedenfalls nur für die im Zuge der Gründung der Genossenschaft erworbenen Anteile.
Nach diesen Maßstäben hat das Thüringer Finanzgericht im hier entschiedenen Fall im Ergebnis zutreffend keine originär auf die streitgegenständlichen Genossenschaftsanteile entfallenden Anschaffungskosten angenommen[8]. Aufgrund der für den Bundesfinanzhof nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des Finanzgericht sind der Genossin für die streitgegenständlichen, erst nach Umwandlung der LPG in die e.G. erworbenen Genossenschaftsanteile tatsächlich keine Anschaffungskosten entstanden.
Anschaffungskosten in Zusammenhang mit der Umwandlung der LPG in eine Agrargenossenschaft
Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zum Urteil des Bundesfinanzhofs vom 21.07.1976[9]. Aus dieser Entscheidung geht nicht hervor, dass im Rahmen einer Umwandlung aus Gesellschaftsmitteln erworbene Genossenschaftsanteile nicht anschaffungskostenlos seien. Soweit der I. Senat des Bundesfinanzhofs in seiner Entscheidung vom 21.07.1976 ausführt, dass Gutschriften auf den Geschäftsguthaben nach der Erhöhung der Geschäftsanteile aus offenen Rücklagen insbesondere keine Freianteile im Sinne von § 1 Abs. 4 Satz 2 der Kapitalertragsteuer-Durchführungsverordnung (KapStDV) vom 08.08.1966[10] seien und nicht wie Freianteile behandelt werden könnten, folgt hieraus nichts Gegenteiliges. Die Ausgabe von Freianteilen setzt die Umwandlung von Reserven (einschließlich Gewinnen) in Stamm- beziehungsweise Grundkapital voraus[11]. Inwieweit auf die Freianteile ungeachtet dessen Anschaffungskosten entfallen, ist jedoch nicht Voraussetzung für die Annahme von Freianteilen. Im Übrigen regelt § 1 Abs. 4 Satz 2 KapStDV die nach altem Recht steuerabzugspflichtigen Kapitalerträge, lässt jedoch keinen Rückschluss auf die Anschaffungskosten der Genossenschaftsanteile zu.
Anschaffungskosten für einen Pflichtanteil
Die Anschaffungskosten für den nicht veräußerten Pflichtanteil werden nicht anteilig auf die nachträglich erworbenen und wieder veräußerten Anteile aufgeteilt.
Nach § 3 KapErhStG gelten als Anschaffungskosten der vor der Erhöhung des Nennkapitals erworbenen Anteilsrechte und der auf sie entfallenen neuen Anteilsrechte die Beträge, die sich für die einzelnen Anteilsrechte ergeben, wenn die Anschaffungskosten der vor der Erhöhung des Nennkapitals erworbenen Anteilsrechte auf diese und auf die auf sie entfallenen neuen Anteilsrechte nach dem Verhältnis der Anteile am Nennkapital verteilt werden.
§ 3 KapErhStG ist jedoch auf Anteile an Genossenschaften nicht anwendbar. Zwar enthält der Wortlaut der Vorschrift unmittelbar keine Bestimmung ihres Anwendungsbereichs. Die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 1 KapErhStG auf Kapitalgesellschaften im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG[12] schlägt jedoch auf § 3 KapErhStG durch. Die Aufteilung der Anschaffungskosten der vor der Erhöhung des Nennkapitals erworbenen Anteile auf die durch die Erhöhung entfallenden Anteilsrechte nach § 3 KapErhStG setzt eine Kapitalmaßnahme im Sinne von § 1 KapErhStG voraus. Während § 1 KapErhStG die Steuerfreiheit des Werts der neuen Anteile bei einer Erhöhung des Nennkapitals durch Umwandlung von Gesellschaftsmitteln regelt, normiert § 3 KapErhStG die steuerliche Bemessung der aus dieser Umwandlung resultierenden Anschaffungskosten. Auch im Übrigen gelten die Regelungen des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer nur für Kapitalgesellschaften und nicht für Genossenschaften. So gilt die Pflicht zur Mitteilung der Erhöhung des Nennkapitals nach § 4 KapErhStG nur für Kapitalgesellschaften. Auch soweit § 7 KapErhStG die Steuerbefreiung nach § 1 KapErhStG auf Anteilsrechte an ausländischen Gesellschaften für anwendbar erklärt, gilt dies nur, wenn die ausländische Gesellschaft einer Aktiengesellschaft, einer Kommanditgesellschaft auf Aktien oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, mithin mit einer inländischen Kapitalgesellschaft, vergleichbar ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KapErhStG). Ferner ist das Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer nach den Schlussvorschriften erstmals auf Kapitalerhöhungen anzuwenden, die in einem nach dem 31.12.1976 abgelaufenen Wirtschaftsjahr der Kapitalgesellschaft -nicht jedoch einer Genossenschaft- wirksam werden.
Genossenschaften sind auch nicht im Wege einer rechtsfortbildenden Analogie oder teleologischen Extension in den Anwendungsbereich von § 3 i.V.m. § 1 KapErhStG einzubeziehen.
Sowohl die Analogie als auch die teleologische Extension einer Norm setzen zum einen eine Regelungslücke voraus. Eine solche liegt vor, wenn ein bestimmter Sachverhalt zwar gesetzlich geregelt ist, jedoch keine Vorschrift für Fälle enthält, die nach dem Grundgedanken und dem System des Gesetzes hätten mitgeregelt werden müssen[13]. Die Norm muss -gemessen an ihrem Zweck- unvollständig, das heißt ergänzungsbedürftig sein[14]. Selbst ein eindeutiger Gesetzeswortlaut schließt eine Regelungslücke nicht aus[15].
Zum anderen muss die Regelungslücke planwidrig sein[16]. Dies erfordert die Feststellung, dass der infrage stehende Sachverhalt vom Gesetzgeber nur versehentlich nicht geregelt worden ist[17]. Eine lückenfüllende Ergänzung der Norm darf somit nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widersprechen[18]. Keine (planwidrigen) Regelungslücken sind rechtspolitische Unvollständigkeiten („rechtspolitische Fehler“), bei denen die Ergänzung aus lediglich rechtspolitischen Gründen wünschenswert wäre[19]. Schließlich muss -jedenfalls bei einer Analogie- zwischen dem gesetzlich geregelten Tatbestand und dem nicht geregelten Sachverhalt eine vergleichbare Interessenlage bestehen[20].
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Es fehlt sowohl an einer Regelungslücke als auch an der Planwidrigkeit einer solchen.
Der Erhöhung des Nennkapitals einer Kapitalgesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sowie der Ausgabe neuer Genossenschaftsanteile durch Umwandlung von Rücklagen liegen keine vergleichbaren Interessenlagen zugrunde; es fehlt damit an einer für die Analogie erforderlichen Regelungslücke.
Soweit der Gesetzgeber mit der Einführung des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer dem zu dieser Zeit hohen Kursniveau entgegentreten wollte[21], fehlt es im Hinblick auf Genossenschaftsanteile -ungeachtet der Frage, inwiefern diese Diskrepanz auch in den Streitjahren bestand- an einer vergleichbaren Sachlage. Mangels Veräußerbarkeit von Genossenschaftsanteilen[22] können keine Kurse für diese bestehen, sodass kein Missverhältnis zwischen Nennkapital und Wert entstehen kann.
Auch soweit § 1 KapErhStG einen etwaigen Ertrag aus dem Erwerb neuer Anteile aus der Umwandlung von Rücklagen von der Besteuerung ausnehmen soll, sodass es diesbezüglich keiner Feststellung durch die Behörden der Finanzverwaltung bedarf[23], fehlt es im Hinblick auf Genossenschaften an der Vergleichbarkeit. Wie der Bundesfinanzhof bereits mit Urteil vom 21.07.1976 – I R 147/74[24] entschieden hat, löst die Zuteilung neuer Genossenschaftsanteile, die durch Umwandlung aufgelöster Rücklagen entstanden sind, mangels Zuflusses beim Genossen keine Steuer aus. An dieser Rechtsprechung hält der Bundesfinanzhof fest.
Soweit § 3 KapErhStG ferner einen Gleichlauf zwischen der handelsbilanziellen Behandlung des Erwerbs von Anteilen aus der Umwandlung von Gesellschaftsmitteln mit deren steuerlicher Behandlung herzustellen bezweckt[25], ist die Interessenlage bei Sachverhalten mit Genossenschaften ebenfalls nicht vergleichbar.
Die Einführung des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer stand unter anderem in Zusammenhang mit der Einführung des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung -KapErhG-[26] vorgesehenen handelsrechtlichen Maßnahmen vom 23.12.1959[27]. § 1 Abs. 1 KapErhG sah die Möglichkeit zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln für Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, Gesellschaft mit beschränkter Haftung) vor. Die handelsbilanzielle Bemessung der Anschaffungskosten für die neu aus Gesellschaftsmitteln erworbenen Anteile war in § 17 KapErhG geregelt. Wie im Ergebnis auch § 3 KapErhStG bestimmt § 17 KapErhG, dass als Anschaffungskosten der vor der Erhöhung des Nennkapitals erworbenen Anteilsrechte und der auf sie entfallenen neuen Anteilsrechte die Beträge gelten, die sich für die einzelnen Anteilsrechte ergeben, wenn die Anschaffungskosten der vor der Erhöhung des Nennkapitals erworbenen Anteilsrechte auf diese und auf die auf sie entfallenen neuen Anteilsrechte nach dem Verhältnis der Anteile am Nennkapital verteilt werden. Die Regelung des § 17 KapErhG wurde in § 57o GmbHG[28] und § 220 AktG[29] überführt. Eine entsprechende Regelung zur handelsbilanziellen Behandlung des Erwerbs neuer Genossenschaftsanteile aus der Umwandlung von Mitteln der Genossenschaft wurde hingegen nicht in das Recht der Genossenschaften übernommen, sodass es auch insofern keiner Herstellung eines Gleichlaufs zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz für Sachverhalte mit Genossenschaften bedarf.
§ 17 KapErhG war auch nicht auf Genossenschaften zu erstrecken. Hintergrund der Einführung von § 17 KapErhG war nach der Gesetzesbegründung, dass das Vermögen, das den Gegenwert der in Nennkapital umgewandelten Rücklagen darstellt, schon vor der Kapitalerhöhung den Aktionären beziehungsweise Gesellschaftern zustand. Die neuen Anteilsrechte, die sie aufgrund der Kapitalerhöhung erhalten, stellen daher bei ihnen ebenso wenig eine Vermögensmehrung dar wie bei der Gesellschaft selbst. Daher darf der Zuwachs an Anteilsrechten bei dem bilanzierungspflichtigen Aktionär beziehungsweise Gesellschafter nicht zum Ausweis eines Gewinns führen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass dem Aktionär beziehungsweise Gesellschafter mengenmäßig in den neuen Anteilsrechten neue Vermögensgegenstände zufließen[30]. Bei Genossenschaften liegt die Situation dagegen anders. Während der Geschäftsanteil bei Kapitalgesellschaften unter anderem die Beteiligungsquote des Gesellschafters am Stammkapital zum Ausdruck bringt[31], gibt der Genossenschaftsanteil nur an, bis zu welcher Höchstgrenze sich ein Mitglied an der Genossenschaft beteiligen darf und stellt gerade nicht die Mitgliedschaft oder die Rechte hieraus dar[32]. Der Genossenschaftsanteil ist mithin nur eine rechnerische Größe, die keinen Einfluss auf den Umfang der mitgliedschaftlichen Rechte hat[33].
Im Übrigen wäre eine Regelungslücke, läge sie denn vor, nicht planwidrig. Der Gesetzgeber hat die Genossenschaften -insbesondere vor dem oben dargestellten Hintergrund- bewusst nicht in den Anwendungsbereich von § 3 i.V.m. § 1 KapErhStG einbezogen.
Hierfür spricht bereits die allgemeine Begründung zum Entwurf des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer. Hiernach wollte der Gesetzgeber mit der Einführung des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer unter anderem dem seit der Währungsreform im Jahre 1948 im Zuge des wirtschaftlichen Wiederaufbaus bei den Kapitalgesellschaften vielfach eingetretenen Missverhältnis zwischen dem Nennkapital und dem tatsächlichen Vermögen entgegentreten[27]. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer hatte der Gesetzgeber dabei aber nur Kapitalgesellschaften im Blick. Einer Einbeziehung von Genossenschaften bedurfte es -wie dargelegt- nicht.
Aus der Einfügung von Abs. 7 in § 17 EStG durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 07.12.2006[34] ergibt sich nichts anderes. Nach der Begründung zum Regierungsentwurf dieses Gesetzes war die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 17 EStG erforderlich, da Anteile an nicht nach deutschem Recht gegründeten Genossenschaften und der Europäischen Genossenschaft veräußerbar sind[35]. Eine vollständige Gleichbehandlung von Genossenschaften und Kapitalgesellschaften war dagegen nicht beabsichtigt.
Ferner verletzt die fehlende Einbeziehung von Genossenschaften in den Anwendungsbereich von § 3 i.V.m. § 1 KapErhStG nicht das allgemeine Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Bei einer Gesamtbetrachtung der vor und nach der Umwandlung von Gesellschaftsmitteln bestehenden Anteile an Genossenschaften und Kapitalgesellschaften kommt es zu keinem Verlust steuermindernd zu berücksichtigender Anschaffungskosten. § 3 KapErhStG führt lediglich zu einer Umverteilung der vor der Umwandlung bestehenden Anteile. Im Übrigen wäre eine etwaige Ungleichbehandlung jedenfalls gerechtfertigt. Denn anders als beim Erwerb von Anteilen aus Gesellschaftsmitteln bei Kapitalgesellschaften hat der Bundesfinanzhof klargestellt, dass ein solcher mangels Zuflusses beim Genossen zu keiner Steuerlast führt[36].
Unter Anwendung dieser Maßstäbe hat das Finanzgericht zutreffend einen Veräußerungsgewinn im Sinne von § 17 Abs. 1 EStG von 1.200 € je Genossenschaftsanteil angenommen. Nach den für den Bundesfinanzhof bindenden Feststellungen des Finanzgericht (§ 118 Abs. 2 FGO) erhielt die Genossin im Gegenzug für die Kündigung der anschaffungskostenlosen Anteile je Anteil 2.000 €. Veräußerungskosten sind nicht geltend gemacht worden. Unter Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c Satz 1 EStG ergibt dies einen Veräußerungsgewinn im Sinne von § 17 EStG von 1.200 € je Genossenschaftsanteil. Hierauf wendete das Finanzgericht für die Veranlagungszeiträume 2015 und 2016 den Freibetrag nach § 17 Abs. 3 EStG zutreffend an. Für 2013 bedurfte es wegen des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbots keiner weiteren Ausführungen, da das Finanzamt für 2013 einen Ansatz des Veräußerungsgewinns unterlassen und es beim Verlust von 668, 27 € belassen hat.
Vertrauensschutz
Die Besteuerung des Veräußerungsgewinns verletzt auch nicht geschütztes Vertrauen.
Die Einbeziehung von Genossenschaftsanteilen in den Anwendungsbereich von § 17 EStG durch die Einführung von § 17 Abs. 7 EStG entfaltet keine echte Rückwirkung. Die Vorschrift war im Hinblick auf das Entstehen der Steuerschuld erstmalig für den bei Verkündung noch laufenden Veranlagungszeitraum anzuwenden[37].
Soweit nach der Rechtsprechung des BVerfG jedoch ein Vertrauensschutz wegen unechter Rückwirkung in Betracht kommt, da mit der Einführung von § 17 Abs. 7 EStG erstmals Wertsteigerungen von Genossenschaftsanteilen steuererheblich werden[38], kann der Bundesfinanzhof offenlassen, inwiefern die Einbeziehung von Genossenschaften durch die Einfügung von § 17 Abs. 7 EStG in § 17 EStG gerechtfertigt ist. Jedenfalls sind vorliegend keine von einem Vertrauensschutz umfassten Wertzuwächse eingetreten. Die Genossin hat im vorliegenden Fall die streitgegenständlichen Genossenschaftsanteile erst aufgrund des Beschlusses der Mitgliederversammlung der e.G. im Jahr 2008, mithin nach Inkrafttreten von § 17 Abs. 7 EStG zum 13.12.2006, erworben.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 26. September 2023 – IX R 19/21
- BFH, Urteil vom 14.01.2020 – IX R 5/18, BFHE 268, 551, BStBl II 2021, 335, Rz 28[↩]
- ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. BFH, Urteil vom 13.03.2018 – IX R 35/16, Rz 16, m.w.N.[↩]
- BGBl I 2019, 2451[↩]
- BFH, Urteile vom 27.03.2007 – VIII R 62/05, BFHE 217, 491, BStBl II 2010, 159, unter II.b; und vom 13.04.2010 – IX R 22/09, BFHE 229, 189, BStBl II 2010, 790, Rz 13, jeweils m.w.N.; s.a. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 17 EStG Rz 190; Brandis/Heuermann/Vogt, § 17 EStG Rz 557[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 10.10.1978 – VIII R 126/75, BFHE 126, 206, BStBl II 1979, 77, unter 1.[↩]
- BFH, Urteil vom 14.01.2020 – IX R 5/18, BFHE 268, 551, BStBl II 2021, 335, Rz 32[↩]
- BFH, Urteil vom 14.01.2020 – IX R 5/18, BFHE 268, 551, BStBl II 2021, 335, Rz 33[↩]
- Thür. FG, Urteil vom 16.06.2021 – 1 K 89/16[↩]
- BFH, Urteil vom 21.07.1976 – I R 147/74, BFHE 120, 173, BStBl II 1977, 46[↩]
- BGBl I 1966, 472[↩]
- BFH, Urteil vom 17.09.1957 – I 165/54 S, BFHE 65, 437, BStBl III 1957, 401, unter 1.[↩]
- Brandis/Heuermann/Martini, § 1 KapErhStG Rz 11[↩]
- u.a. BFH, Urteile vom 09.08.1989 – X R 30/86, BFHE 158, 45, BStBl II 1989, 891, unter 2.a; vom 11.02.2010 – V R 38/08, BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, Rz 21, m.w.N. sowie vom 28.10.2020 – X R 29/18, BFHE 271, 370, BStBl II 2021, 675, Rz 33[↩]
- BFH, Urteil vom 28.10.2020 – X R 29/18, BFHE 271, 370, BStBl II 2021, 675, Rz 33, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 11.02.2010 – V R 38/08, BFHE 229, 385, BStBl II 2010, 873, Rz 22, m.w.N.[↩]
- statt vieler BFH, Urteil vom 02.07.1997 – I R 32/95, BFHE 183, 496, BStBl II 1998, 176, unter II. 2.b bb[↩]
- BFH, Urteil vom 28.10.2020 – X R 29/18, BFHE 271, 370, BStBl II 2021, 675, Rz 34, m.w.N.[↩]
- BFH, Beschluss vom 10.04.2013 – I R 80/12, BFHE 241, 483, BStBl II 2013, 1004, Rz 28[↩]
- u.a. BFH, Urteil vom 09.08.1989 – X R 30/86, BFHE 158, 45, BStBl II 1989, 891, unter 2.a[↩]
- BFH, Urteil vom 11.02.2015 – X R 36/11, BFHE 249, 159, BStBl II 2015, 545, Rz 68[↩]
- BT-Drs. 03/417, S. 3[↩]
- Geibel in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., § 76 GenG Rz 1; Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl., § 76 Rz 2; Beuthien, Die Aktiengesellschaft 2002, 266, 267[↩]
- BT-Drs. 03/417, S. 4[↩]
- BFHE 120, 173, BStBl II 1977, 46, unter II. 2.a bb[↩]
- vgl. Altmeppen, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -GmbHG-, 11. Aufl., § 57o Rz 1; Koch, Aktiengesetz, 17. Aufl., § 220 Rz 1[↩]
- BGBl I 1959, 789[↩]
- BT-Drs. 3/417, S. 3[↩][↩]
- Gummert in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., § 57o GmbHG Rz 1[↩]
- Koch, Aktiengesetz, 17. Aufl., § 220 Rz 1[↩]
- BT-Drs. 03/416, S. 16[↩]
- BeckOK GmbHG/Ziemons, 57. Ed [01.08.2023], GmbHG, § 5 Rz 31; Wöstmann in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., § 10 AktG Rz 1; Koch, Aktiengesetz, 17. Aufl., § 10 Rz 1[↩]
- Geibel in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., § 7 GenG Rz 2 sowie § 7a GenG Rz 2; Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl., § 7 Rz 2[↩]
- Beuthien, Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 2022, 1323, 1323; Beuthien, GenG, 16. Aufl., § 7 Rz 1[↩]
- BGBl I 2006, 2782[↩]
- BR-Drs. 542/06, S. 45[↩]
- BFH, Urteil vom 21.07.1976 – I R 147/74, BFHE 120, 173, BStBl II 1977, 46, unter II. 2.a bb[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010 – 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BVerfGE 127, 61, BStBl II 2011, 86, Rz 48 ff.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010 – 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BVerfGE 127, 61, BStBl II 2011, 86, Rz 53 ff.[↩]






