Altenteilsverträge – und die Abweichung zwischen dem Vereinbarten und der tatsächlichen Durchführung

Es muss dem Abzug von Versorgungsleistungen nicht entgegenstehen, wenn eine vertraglich vereinbarte Erhöhung des bar zu zahlenden Teils der Altenteilsleistungen, die zum 65. Lebensjahr des Berechtigten vorgenommen werden soll, unterbleibt, weil sie schlicht vergessen wurde. Bei Versorgungsverträgen, deren Abänderbarkeit bereits aus der Rechtsnatur des Vertrags folgt, ist vielmehr entscheidend, ob eine Abweichung von den vertraglichen Vereinbarungen darauf hindeutet, dass es den Parteien an dem erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt. Für die -anhand einer Gesamtbeurteilung zu beantwortende- Frage, ob ein Versorgungsvertrag im Wesentlichen entsprechend der Vereinbarung durchgeführt worden ist, ist auch die tatsächliche Durchführung eines vereinbarten Wohnrechts mit dem entsprechenden Jahreswert heranzuziehen.

Altenteilsverträge – und die Abweichung zwischen dem Vereinbarten und der tatsächlichen Durchführung

Bei Vermögensübergaben gegen Versorgungsleistungen, für die § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der ab 2008 geltenden Fassung anzuwenden ist, reicht es jedenfalls aus, wenn das Pflegerisiko in einem Umfang übernommen wird, der bei Übergabeverträgen, die bis zum 31.12.2007 abgeschlossen worden sind, zur Einordnung der Leistungen als dauernde Last führt[1].

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall hat das Niedersächsische Finanzgericht[2] in der Vorinstanz zwar zutreffend im Streitfall einen Übergabevertrag gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG bejaht; es hat aber zu Unrecht allein aus der Nichtzahlung des ab dem 65. Lebensjahr des – V vereinbarten Erhöhungsbetrags der baren Altenteilsleistungen darauf geschlossen, dass es den Parteien des Übergabevertrags an dem erforderlichen Rechtsbindungswillen gefehlt hat. Weil das Finanzgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung weder die erforderliche Gesamtwürdigung im Hinblick auf den Rechtsbindungswillen vorgenommen noch Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug vorgenommen hat, geht die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

Mit der vom Finanzgericht gegebenen Begründung kann der erforderliche Rechtsbindungswille nicht verneint werden.

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung -das Finanzgericht hat zu Unrecht die zwar inhaltsgleiche, aber erst ab 2015 geltende Vorschrift des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG angewendet- sind auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende, lebenslange und wiederkehrende Versorgungsleistungen, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben, als Sonderausgaben abziehbar, wenn der Empfänger unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist und die Versorgungsleistungen u.a. im Zusammenhang mit der Übertragung eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft stehen, die eine Tätigkeit i.S. des § 13 EStG ausübt. Abziehbar ist auch der Teil der Versorgungsleistungen, der auf den Wohnteil eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft entfällt (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 3 EStG).

Unproblematisch für die Annahme von Versorgungsleistungen ist im Streitfall zunächst die Begrenzung der Übernahme der Pflegekosten auf Beträge bis zur Höhe über Pflegestufe 1. Für Verträge, auf die § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung anzuwenden ist, ist dies bereits ausreichend, um eine in vollem Umfang abziehbare dauernde Last zu bejahen[3]. Wird nunmehr in Übergabeverträgen ab 2008 ein Pflegerisiko in einem Ausmaß übernommen, das nach der alten Rechtslage zur Einordnung der Leistungen als dauernde Last führte, genügt dies erst recht, um auch nach der neuen Rechtslage Versorgungsleistungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG (bis 2014) bzw. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG (ab 2015) anzunehmen.

Für die Beurteilung, ob Verträge zwischen nahen Angehörigen ertragsteuerrechtlich anzuerkennen sind, ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten maßgebend. Zwar müssen die vertraglichen Hauptpflichten klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden. Jedoch schließt nicht jede geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Vielmehr sind die einzelnen Kriterien des Fremdvergleichs im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, ob sie der ertragsteuerrechtlichen Anerkennung entgegenstehen[4]. Diese lediglich indizielle Wirkung einzelner Abweichungen und das Erfordernis einer Gesamtbetrachtung gilt insbesondere für die Frage, ob die tatsächliche Durchführung dem Vereinbarten entspricht[5].

Dementsprechend geht der Bundesfinanzhof bei Vermögensübergabe- und Versorgungsverträgen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Mindestbestand an bürgerlich-rechtlichen Rechtsfolgen, der die Qualifikation als Versorgungsvertrag erst ermöglicht (Umfang des übertragenen Vermögens, Höhe der Versorgungsleistungen sowie Art und Weise ihrer Zahlung), klar und eindeutig vereinbart werden muss. Soll der Vertrag der Besteuerung zugrunde gelegt werden, steht es den Vertragsparteien nicht frei, ob und in welchem Umfang sie ihren Vertragspflichten nachkommen wollen. Andererseits liegt es in der Rechtsnatur des Versorgungsvertrags begründet, dass die Vertragspartner z.B. auf geänderte Bedarfslagen angemessen reagieren[6].

Um einen Ausgleich zu finden zwischen dem Erfordernis vertragsgemäßer Erfüllung der übernommenen Pflichten einerseits und der aus der Rechtsnatur des Versorgungsvertrags folgenden Notwendigkeit andererseits, auf geänderte Bedarfslagen angemessen reagieren zu können, hat der Bundesfinanzhof für die erforderliche Gesamtbetrachtung bei Versorgungsverträgen entscheidend darauf abgestellt, ob eine festgestellte Abweichung von den vertraglichen Vereinbarungen darauf hindeutet, dass es den Parteien an dem erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt. Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Vollzug der Vereinbarung durch willkürliche Aussetzung und anschließende Wiederaufnahme der Zahlungen, darüber hinaus aber auch durch Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags, die nicht durch Änderungen der Verhältnisse gerechtfertigt sind, gekennzeichnet ist[7]. In einem solchen Fall erscheint der Vertrag nur der äußeren Form nach als bindend, hat für die Parteien selbst jedoch den Charakter der Beliebigkeit, so dass sie von ihm nur Gebrauch machen, wenn es ihnen opportun erscheint[8].

Demgegenüber beruhen Änderungen, die durch nachweisbare Umstände veranlasst sind, die nach Maßgabe des Vertragstextes oder nach der Rechtsnatur des Vertrags rechtserheblich sind, insbesondere aus einer -in der Regel langfristig- veränderten Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und/oder einer veränderten Bedarfslage des Berechtigten resultieren, gerade auf den Besonderheiten dieses Rechtsinstituts und sind daher ertragsteuerrechtlich nicht nur unschädlich[9], sondern zeigen gerade den Willen der Vertragsparteien an, sich an dieses Rechtsinstitut gebunden zu halten.

Auf dieser Grundlage hat der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass allein das Unterbleiben einer sich aus einer Wertsicherungsklausel ergebenden Erhöhung von Baraltenteilsleistungen der Annahme, der Übergabevertrag sei mit Rechtsbindungswillen abgeschlossen worden, im Regelfall auch dann nicht entgegensteht, wenn die tatsächlich gezahlten Versorgungsleistungen sich nur noch auf 40 % desjenigen Betrags belaufen, der bei strikter Beachtung der Wertsicherungsklausel aktuell zu zahlen gewesen wäre[10]. Gleiches gilt, wenn die Zahlungen zwar ständig verspätet, aber doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit geleistet werden[11], einzelne Zahlungen wegen finanzieller Schwierigkeiten des Verpflichteten ausgesetzt werden[12] oder die neben einem Wohnrecht und sonstigen Sachleistungen zu erbringenden Barzahlungen von ursprünglich 1.000 DM für einen Zeitraum von 20 Monaten auf die Hälfte gekürzt werden, weil die Berechtigten den vollen Betrag nicht benötigten[13].

Die von Anfang an vollständige Nichtzahlung der vereinbarten und betragsmäßig erheblichen baren Altenteilsleistungen ist hingegen als schädlich angesehen worden[14], ebenso die Nichtzahlung erheblicher Teile der ausschließlich vereinbarten Barleistungen[15].

Hiervon ausgehend erweist sich die Vorgehensweise des Finanzgericht, allein auf die unterbliebene Erhöhung der Barleistungen abzustellen, als rechtsfehlerhaft.

Allerdings hat das Finanzgericht den Übergabevertrag in revisionsrechtlich bedenkenfreier Weise dahingehend ausgelegt, dass die Erhöhung der baren Altenteilsleistungen von 200 € auf 300 € monatlich nicht schon zu Beginn, sondern erst mit Vollendung des 65. Lebensjahrs des V eintreten sollte. Ferner hat es festgestellt, die Vertragsparteien hätten diese vereinbarte Erhöhung „schlicht vergessen“.

Nicht zu folgen vermag der Bundesfinanzhof dem Finanzgericht indes in der rechtlichen Bewertung, aus diesem „schlichten Vergessen“ folge, dass die Parteien die Zahlungspflichten „nach Belieben“ -und damit willkürlich- gehandhabt hätten. Es bedeutet für den aus objektiven Tatsachen vorzunehmenden Rückschluss auf den erforderlichen Rechtsbindungswillen einen erheblichen Unterschied, ob Zahlungen willkürlich ausgesetzt und anschließend wiederaufgenommen werden bzw. ohne erkennbare Rechtfertigung schwanken, oder ob -wie es vorliegend nach den Feststellungen des Finanzgericht der Fall war- der Vollzug einer von einem bestimmten Ereignis abhängigen Veränderung eines Teils der Versorgungsleistungen „schlicht vergessen“ worden ist. Dies gilt nicht allein für Erhöhungsbeträge, die sich aus einer Wertsicherungsklausel ergeben, sondern auch für sonstige vertraglich vereinbarte Erhöhungen, sofern sie bei einer Gesamtbetrachtung nicht allzu stark ins Gewicht fallen.

Darüber hinaus weisen die Kläger zu Recht darauf hin, dass die unterbliebene Erhöhung der Barleistungen um 100 € monatlich bei einer Gesamtbetrachtung aller im Übergabevertrag vereinbarten Altenteilsleistungen nur von geringer Bedeutung war.

Die im FG, Urteil gegebene Begründung verstößt insoweit gegen die Denkgesetze, als das Finanzgericht es einerseits ablehnt, eine solche Gesamtbetrachtung vorzunehmen und isoliert lediglich die Barzahlungen betrachtet, andererseits aber die nur hinsichtlich der Barzahlungen festzustellende Abweichung vom Vereinbarten sogleich auf sämtliche Altenteilsleistungen durchschlagen lässt und deren einkommensteuerliche Berücksichtigung insgesamt versagt. Jedenfalls diejenigen Bestandteile, die bürgerlich-rechtlich für Altenteilsleistungen typusprägend sind -dazu gehört im Streitfall neben den Barzahlungen auch das Wohnungsrecht-, sind zu einer rechtlichen Einheit verbunden[16] und daher im Regelfall zusammenfassend zu würdigen.

Der Bundesfinanzhof stimmt den Klägern auch darin zu, dass jedenfalls in die für Zwecke der Feststellung des erforderlichen Rechtsbindungswillens vorzunehmende Gesamtbetrachtung auch der Miet- bzw. Nutzungswert des Wohnungsrechts einzubeziehen ist, ohne dass der Bundesfinanzhof im gegenwärtigen Verfahrensstadium entscheiden müsste, ob er sich weiterhin der Auffassung der Finanzverwaltung anschließen könnte, dass nicht dieser Nutzungswert, sondern allein ein Betrag in Höhe der tatsächlich entstandenen Aufwendungen als Sonderausgabe abziehbar ist[17].

Soweit sich die Finanzverwaltung für diese Auffassung auf das BFH, Urteil vom 25.03.1992 – X R 196/87[18] beruft, ist darauf hinzuweisen, dass diese Entscheidung zu einem Veranlagungszeitraum ergangen ist, in dem noch die frühere Nutzungswertbesteuerung anzuwenden war. Da der Nutzungswert der dort überlassenen Wohnung aufgrund der gesicherten Rechtsposition von vornherein der Altenteilerin zuzurechnen war, war es im dortigen Fall systemgerecht, beim Übernehmer keinen Abzug eines Nutzungswerts zuzulassen[19] eine u.a. auch an der früheren Nutzungswertbesteuerung orientierte Begründung liegt dem BFH-Urteil vom 26.07.1995[20] zugrunde, mit dem der Abzug des Mietwerts als Sonderausgabe gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abgelehnt wurde[21].

Soweit das Finanzamt die Nichtabziehbarkeit des Nutzungswerts in der Einspruchsentscheidung damit begründet, dass die Wohnung zum Privatvermögen gehöre, ist dem zu entgegnen, dass § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 3 EStG gerade dazu dient, Versorgungsleistungen, die auf den Wohnteil entfallen, trotz der Zuordnung dieser Wohnungen zum Privatvermögen als abziehbar zu behandeln. Für das Realsplitting (heute § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG) lässt es die höchstrichterliche Rechtsprechung im Übrigen unter Berufung auf § 15 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes ausdrücklich zu, auch den Nutzungswert als Sonderausgabe abzuziehen[22].

Auf dieser Grundlage ist der Jahreswert des streitigen Erhöhungsbetrags von 1.200 € nicht allein mit den für die Streitjahre 2011 und 2012 als Sonderausgaben geltend gemachten Beträgen von 4.333 € und 4.358 € zu vergleichen. Vielmehr ist für eine an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierte Betrachtung zusätzlich auch der Jahreswert des Wohnungsrechts in den Blick zu nehmen, den die Kläger in den vorangehenden Verfahrensabschnitten mit 11.400 € jährlich beziffert haben. Denn die Kläger können aufgrund der Versorgungszusage den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert dieser Wohnung nicht selbst oder durch Vermietung nutzen, sondern müssen ihn den Altenteilern überlassen, sind also zumindest mittelbar auch durch diese Form der Altenteilsleistung wirtschaftlich belastet.

Da der Bundesfinanzhof weder die zur Feststellung des Rechtsbindungswillens erforderliche Gesamtwürdigung selbst vornehmen noch die übrigen Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs feststellen kann, muss die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Tatsacheninstanz zurückgehen.

Hinsichtlich des Rechtsbindungswillens wären zunächst Feststellungen zu der Behauptung der Kläger zu treffen, sie hätten alle weiteren Altenteilsleistungen vertragsgemäß erbracht. Sollte sich diese Behauptung als zutreffend herausstellen, wäre dieser Umstand im Rahmen der Gesamtwürdigung zugunsten der Kläger zu berücksichtigen. Auch die Beteiligung der Geschwister am Übergabe- und Altenteilsvertrag kann für einen Rechtsbindungswillen sprechen, da Geschwister im Allgemeinen ein Interesse an ihrer Gleichstellung und der dafür erforderlichen vertragsgemäßen Durchführung derartiger Vereinbarungen haben.

Ferner hat das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang Feststellungen zu den Umständen zu treffen, die das Finanzamt -über das „schlichte Vergessen“ der vereinbarten Erhöhung hinaus- als weitere Indizien gegen das Vorhandensein von Rechtsbindungswillen anführt; vom Finanzgericht aber bisher nicht in eine Gesamtwürdigung einbezogen worden sind.

So ist unstreitig, dass die 200 € bereits längere Zeit vor dem Abschluss des Übergabevertrags gezahlt worden sind und dieser Zahlbetrag nach dem Vertragsschluss unverändert geblieben ist. Das Finanzgericht wird daher Feststellungen zum Rechtsgrund dieser früheren Zahlungen zu treffen haben, ggf. auch durch Vernehmung der Zahlungsempfänger. Es erscheint aber nicht als ausgeschlossen, dass -entsprechend dem bisherigen Vorbringen der Kläger- eine zunächst gewährte freiwillige Unterstützungsleistung durch Abschluss eines formellen Übergabe- und Altenteilsvertrags auf eine neue, auch ertragsteuerrechtlich zugrunde zu legende Rechtsgrundlage gestellt wird.

Darüber hinaus wird das Finanzgericht prüfen müssen, ob ergänzend zu seiner bisherigen Feststellung, die 200 € seien in den Streitjahren von einem Bankkonto der Klägerin an die Altenteiler gezahlt worden, weitere Feststellungen zu treffen sind. So ergibt sich aus den in den Akten befindlichen Bankkontoauszügen, dass der Kläger jeweils wenige Tage nach der Abbuchung der 200 € vom Bankkonto der Klägerin einen gleich hohen Betrag von einem eigenen Bankkonto auf das Konto der Klägerin überwiesen hat. Zwar ist im Verwendungszweck dieser Überweisungen kein Rechtsgrund angegeben. Es erscheint aber -vorbehaltlich weiterer Sachaufklärung- jedenfalls nicht als ausgeschlossen, dass der Kläger der Klägerin damit die 200 € erstattet und so im wirtschaftlichen Ergebnis -entgegen den bisherigen Feststellungen des Finanzgericht- die Altenteilsleistungen getragen hat.

Gegenläufig enthalten die Akten allerdings einen Vermerk der Außenprüferin, wonach die 200 € bis Dezember 2012 jeweils monatlich wieder von den Altenteilern an die Klägerin zurückgezahlt worden seien. Zwar wird dies durch die bisher vorliegenden Kontoauszüge nicht belegt. Gleichwohl wird das Finanzgericht der Frage nachgehen müssen, ob die von der Prüferin in diesem Vermerk aufgestellte Behauptung zutrifft. Sollte dies der Fall sein, würde es sich um ein gewichtiges Indiz gegen eine tatsächliche Durchführung zumindest der Vereinbarung über die baren Altenteilsleistungen handeln[23]. Nach Aktenlage erscheint es allerdings als denkbar, dass die Prüferin die regelmäßigen Erstattungen des Klägers irrig als Rückzahlungen der Altenteiler angesehen hat.

Schließlich kann das Finanzgericht aufklären, weshalb die Kläger und die Altenteiler die Versorgungsleistungen in den Einkommensteuererklärungen zunächst nicht angegeben haben. Die einkommensteuerliche Berücksichtigung dieser Leistungen ist -im Gegensatz zu den systematisch vergleichbaren Tatbeständen des § 10 Abs. 1a Nr. 1 und 3 EStG n.F.- nicht etwa von der Stellung eines Antrags oder der Ausübung eines Wahlrechts abhängig; vielmehr sind Versorgungsleistungen vom Zahlenden; und vom Empfänger zu erklären und durch die Finanzverwaltung von Amts wegen in die Veranlagungen einzubeziehen. Soweit sich die Kläger hierzu darauf berufen, ihr früherer Steuerberater habe sie fehlerhaft beraten, haben sie diesen bisher nicht von der Schweigepflicht entbunden.

Auch werden die Kläger erklären müssen, weshalb sie die Barleistungen nach dem Erkennen des „schlichten Vergessens“ der zu August 2011 vorzunehmenden Erhöhung ab Februar 2013 nicht nur auf die vereinbarten 300 €, sondern gleich auf 350 € erhöht haben. Bei der erforderlichen Gesamtwürdigung können nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung auch zeitlich vor oder nach dem Streitjahr liegende Umstände herangezogen werden, da eine Beschränkung auf solche Tatsachen, die ausschließlich dem Streitjahr zugeordnet werden können, mit dem Wesen der in diesen Fällen vorzunehmenden zusammenfassenden Würdigung unvereinbar wäre[24].

Die von den Klägern hierzu im Einspruchsverfahren abgegebene Erklärung, die Erhöhung um weitere 50 € habe der Nachzahlung der zunächst für 18 Monate unterbliebenen Erhöhung und der Berücksichtigung der gestiegenen Lebenshaltungskosten dienen sollen, erscheint zwar durchaus als plausibel. Da es sich hierbei aber -erneut- um eine Abweichung von den Regelungen des Übergabevertrags bzw. um eine Vertragsänderung handelt, hätte jedenfalls dann, wenn damit nicht lediglich eine zeitlich gestreckte Nachzahlung der schon früher zu beanspruchenden Erhöhungsbeträge, sondern eine dauerhafte Erhöhung der vereinbarten Zahlungen gewollt war, das Schriftformgebot des § 761 des Bürgerlichen Gesetzbuchs beachtet werden müssen, das nach allgemeiner Meinung auch für nachträgliche Erhöhungen einer bereits wirksam vereinbarten Leibrente gilt[25].

Sofern die noch ausstehende Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis führt, dass der Rechtsbindungswille der Vertragsparteien zu bejahen ist, wird das Finanzgericht noch Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu treffen haben.

Vorsorglich weist der Bundesfinanzhof darauf hin, dass der Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 3 EStG insofern zu eng geraten sein dürfte, als kein Grund dafür ersichtlich ist, Versorgungsleistungen, die auf den Wohnteil entfallen, auf die Übergabe von „Betrieben“ der Land- und Forstwirtschaft zu beschränken. Vielmehr wird man hier auch die Übergabe von Mitunternehmeranteilen an einer land- und forstwirtschaftlichen Personengesellschaft (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. a EStG) einbeziehen müssen, wenn dabei der Wohnteil mit übergeben wird[26].

Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. Juni 2021 – X R 3/20

  1. vgl. dazu BFH, Urteil vom 16.06.2021 – X R 31/20, Rz 32[]
  2. Nds. FG, Urteil vom 27.06.2019 – 11 K 291/18[]
  3. vgl. dazu BFH, Urteil vom 16.06.2021 – X R 31/20, seit dem 16.12.2021 veröffentlicht unter www.bundesfinanzhof.de, Rz 32[]
  4. vgl. jüngst BFH, Urteil vom 28.10.2020 – X R 1/19, BFHE 270, 505, BStBl II 2021, 283, Rz 12, m.w.N.[]
  5. vgl. zu Versorgungsleistungen BFH, Urteil vom 03.03.2004 – X R 14/01, BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826, unter II. 4.b[]
  6. BFH, Urteil in BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826, unter II. 5., m.w.N.[]
  7. BFH, Urteil in BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826, unter II. 6.a[]
  8. vgl. BFH, Beschluss vom 16.01.2007 – X B 5/06, BFH/NV 2007, 720, unter 1.c aa[]
  9. vgl. BFH, Urteil vom 15.07.1992 – X R 165/90, BFHE 168, 561, BStBl II 1992, 1020, unter 2.e[]
  10. grundsätzlich hierzu vgl. BFH, Urteil in BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826, unter II. 6.; zur regelmäßigen Unschädlichkeit der Nichtbeachtung von Wertsicherungsklauseln s.a. BFH, Urteile vom 08.04.1992 – X R 52/89, BFH/NV 1992, 657, unter 5.c; und vom 15.07.1992 – X R 31/91, BFH/NV 1993, 18, unter 5.[]
  11. BFH, Urteil vom 15.09.2010 – X R 10/09, BFH/NV 2011, 581[]
  12. BFH, Urteil vom 15.09.2010 – X R 13/09, BFHE 231, 116, BStBl II 2011, 641, Rz 34 ff.[]
  13. BFH, Urteil vom 15.09.2010 – X R 31/09, BFH/NV 2011, 583, Rz 20[]
  14. BFH, Urteil vom 19.01.2005 – X R 23/04, BFHE 209, 91, BStBl II 2005, 434: Nichtzahlung von 750 DM, die neben einem Wohnrecht vereinbart waren; BFH, Urteil vom 15.09.2010 – X R 16/09, BFH/NV 2011, 428: langjährige Nichtzahlung des gesamten neben einem Wohnrecht vereinbarten Baraltenteils von 350 DM[]
  15. BFH, Beschluss in BFH/NV 2007, 720, unter 1.c bb: von Anfang an werden nur 3.500 DM statt der vereinbarten 6.000 DM monatlich gezahlt[]
  16. BFH, Urteil vom 15.02.2006 – X R 5/04, BFHE 212, 450, BStBl II 2007, 160, unter II. 4.a[]
  17. so BMF, Schreiben vom 11.03.2010, BStBl I 2010, 227, Rz 46[]
  18. BFHE 167, 408, BStBl II 1992, 1012[]
  19. vgl. zum Verständnis der damaligen Rechtslage auch BFH, Urteil vom 21.09.1993 – IX R 96/88, BFH/NV 1994, 307[]
  20. BFH, Urteil vom 26.07.1995 – X R 91/92, BFHE 178, 339, BStBl II 1995, 836[]
  21. s.a. BFH, Beschluss vom 18.10.2013 – X B 135/12, BFH/NV 2014, 156, Rz 13[]
  22. BFH, Urteil vom 12.04.2000 – XI R 127/96, BFHE 192, 75, BStBl II 2002, 130[]
  23. vgl. zum Hin- und Herzahlen von Geldbeträgen BFH, Urteil vom 28.01.1997 – IX R 23/94, BFHE 182, 542, BStBl II 1997, 655[]
  24. BFH, Urteil vom 03.03.2004 – X R 12/02, BFHE 205, 451, BStBl II 2004, 722, unter II. 2.a bb, m.w.N.[]
  25. vgl. Staudinger/Mayer, BGB, Neubearbeitung 2015, § 761 BGB Rz 4; zum Bestehen eines -über die zivilrechtlichen Anforderungen hinausgehenden- steuerrechtlichen Schriftformgebots auch für Einschränkungen der Zahlungspflicht obiter dictum im BFH, Urteil in BFHE 231, 116, BStBl II 2011, 641, Rz 29 f.; kritisch hierzu Kesseler, Deutsches Steuerrecht 2011, 799; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR-, § 10 EStG Rz 253[]
  26. vgl. HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz 262[]