Umsatzsteuer in der Pferdepension

Umsätze aus der Pensionshaltung von Pferden sind nicht von der Umsatzsteuer befreit. Sie unterliegen auch bei einem Reitverein dem Regelsteuersatz.

Umsatzsteuer in der Pferdepension

Sie unterliegen weder nach nationalem noch nach Unionsrecht einer Steuerbefreiung und werden auch nicht von der Steuersatzermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG umfasst.

Die Leistungen des Reitvereins werden nicht von der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG umfasst. Danach sind steuerfrei die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken, von Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und von staatlichen Hoheitsrechten, die Nutzungen von Grund und Boden betreffen.

Die Würdigung des Finanzamt, dass es sich bei den vom Reitverein erbrachten Leistungen um einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang handelt, dessen Wesen und wirtschaftlicher Gehalt aus den als Leistungsbündel verknüpften Elementen der Unterbringung, Fütterung, Betreuung, Aufsicht, Gewährung der Sauberkeit sowie der Möglichkeit einer Nutzung der Reitanlagen besteht und dessen Leistungsbestandteile so eng miteinander verbunden sind, dass sie aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers eine einheitliche sonstige Leistung eigener Art bilden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird vom Reitverein auch nicht angegriffen.

Der Reitverein kann sich nicht mit Erfolg auf den im Streitjahr 2005 noch geltenden Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG (ab 1.01.2007 Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL) berufen[1].

Gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten von der Umsatzsteuer bestimmte in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Dabei kann der Bundesfinanzhof offenlassen, ob es sich bei dem Reitverein überhaupt um eine Einrichtung ohne Gewinnstreben handelt. Zweifel hieran könnten bestehen, weil der Reitverein einen Großteil seiner Einnahmen durch die Pensionspferdehaltung erzielte und damit möglicherweise gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO verstoßen haben könnte[2].

Denn gemäß Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG sind von dieser Steuerbefreiung Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen ausgeschlossen, wenn

  • sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind oder
  • sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.

Dabei ist es Sache der nationalen Gerichte zu prüfen, ob die in Rede stehende Dienstleistung i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b erster Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG „unerlässlich“ ist[3]. Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht[4] hat es -dem BFH-Urteil in BFHE 243, 435 folgend- für möglich gehalten, dass die vom Reitverein ausgeführten Pferdepensionsdienstleistungen mit dem Sport in engem Zusammenhang stehen und für seine Ausübung „unerlässlich“ sind, hat diese Frage aber letztlich offengelassen. Auch der Bundesfinanzhof braucht hierüber nicht zu entscheiden.

Denn das Finanzgericht ist ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangt, dass die Dienstleistungen des Reitvereins von dem Steuerbefreiungsausschluss des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG umfasst werden, weil sie im Wesentlichen dazu bestimmt waren, ihm zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt wurden.

Der Begriff der zusätzlichen Einnahmen erschließt sich in Zusammenschau mit dem des unmittelbaren Wettbewerbs. Denn in dem Ausschluss der Steuerbefreiung gemäß Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG liegt „eine spezifische Ausprägung des Grundsatzes der Neutralität, dem es insbesondere zuwiderläuft, dass gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden“[5]. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität ist bereits dann verletzt, wenn zwei aus der Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden. Dienstleistungen sind in diesem Sinne gleichartig, wenn sie ähnliche Eigenschaften aufweisen und beim Verbraucher nach einem Kriterium der Vergleichbarkeit in der Verwendung denselben Bedürfnissen dienen und wenn die bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers, die eine oder die andere dieser Dienstleistungen zu wählen, nicht erheblich beeinflussen[6].

Nach den den Bundesfinanzhof gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des Finanzgericht boten mindestens 13 im Einzugsbereich des Reitvereins liegende privatwirtschaftliche Einrichtungen ähnliche Leistungen wie der Reitverein an. Dabei bewegte sich der Preisrahmen von ca. 170 EUR bis ca. 300 EUR in einem ähnlichen Bereich, wie das vom Reitverein erzielte Entgelt von 250 EUR (brutto) für ein Pferd bzw. 185 EUR (brutto) für ein Pony.

Zwar kommt für Tätigkeiten, die den Kernbereich der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG betreffen, ein Ausschluss nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG nicht in Betracht, weil ansonsten die Befreiung in weiten Teilen leer liefe[7]. Die Leistungen des Reitvereins betreffen aber nicht den Kernbereich der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG.

Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht[4] hat zutreffend erkannt, dass der vom Bundesfinanzhof entwickelte Begriff der Kernbereichsrelevanz denknotwendig enger ist als der der Unerlässlichkeit, weil andernfalls mit der Annahme der Unerlässlichkeit i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b erster Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG stets die Voraussetzungen des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG (wegen einer Kernbereichsrelevanz) zu verneinen wären. Für Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG würde danach kein Anwendungsbereich verbleiben.

Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht[8] hat auch zu Recht erkannt, dass der Kernbereich nur von Leistungen betroffen wird, die direkt und unmittelbar die Ausübung des Sports betreffen. Das mag, wie die Nutzungsüberlassung eines Golfplatzes und das Zurverfügungstellen von Golfbällen[9], auch beim isolierten Bereitstellen von Reitanlagen der Fall sein, weil die Reitanlagen direkt und unmittelbar der Ausübung des Reitsports dienen. Das vom Reitverein angebotene umfassende Leistungspaket, das neben der Zurverfügungstellung von Reitanlagen auch die Bereitstellung einer Box zum Einstellen des eigenen Pferdes, dessen Fütterung, das Ausmisten der Boxen, die Haltung und Pflege des eingestellten Pferdes, die Information des Besitzers im Falle der Erkrankung und die Inanspruchnahme tierärztlicher Leistungen umfasste, geht aber über den Kernbereich des Reitsports hinaus, weil es im Wesentlichen die Unterbringung, Versorgung und Pflege des „Sportgerätes Pferd“ betrifft. Die Pflege der Sportgeräte, im Falle lebender Tiere auch deren Versorgung und Betreuung, ist zwar im Vorfeld der eigentlichen Ausübung eines Sports, gleichsam als eine Ausübungsvoraussetzung notwendig und möglicherweise unerlässlich. Sie betrifft diese aber nicht direkt und unmittelbar und wird daher vom Kernbereich der Befreiung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG nicht umfasst.

Die vom Reitverein angeregte Vorlage an den EuGH zum Umfang des Kernbereichs kommt für den Bundesfinanzhof nicht in Betracht, weil es sich bei der Kernbereichsrelevanz um ein vom BFH entwickeltes Kriterium der engen Auslegung des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG handelt, um die Wirksamkeit der Steuerbefreiungen in Art. 13 Teil A Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG zu erhalten.

Die Umsätze des Reitvereins erfüllen auch nicht die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG in seiner im Streitjahr geltenden Fassung ist der ermäßigte Steuersatz anzuwenden auf die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 58 AO). Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden, es sei denn, es liegt ein Zweckbetrieb vor.

Es ist schon fraglich, ob der Reitverein unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt, weil er möglicherweise gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO verstößt. Dieses Gebot besagt, dass eine Körperschaft nicht gemeinnützig ist, wenn sie neben ihrer gemeinnützigen Zielsetzung weitere Zwecke verfolgt und diese Zwecke nicht gemeinnützig sind. Hinsichtlich der Pensionspferdehaltung, die nach den Steuererklärungen des Reitvereins einen Großteil seiner Einnahmen ausmachen, stellt sich die Frage, ob die Pensionspferdehaltung um des gemeinnützigen Zwecks willen erfolgt oder ob es sich um einen von dem gemeinnützigen Zweck losgelösten Zweck handelt, was dazu führen würde, dass die Betätigung der Körperschaft nicht in einen steuerfreien und einen steuerpflichtigen Teil aufgeteilt werden könnte, sondern insgesamt steuerpflichtig wäre[10].

Der Bundesfinanzhof braucht diese Frage aber nicht abschließend zu beantworten, weil das Finanzgericht jedenfalls in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Pensionsleistungen des Reitvereins im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt wurden und die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs nicht vorlagen.

§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG entspricht nur insoweit dem Unionsrecht, als er Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG i.V.m. Anhang H Nr. 14 den Mitgliedstaaten erlaubt, einen ermäßigten Steuersatz für die Lieferung von Gegenständen und Erbringung von Dienstleistungen durch von den Mitgliedstaaten anerkannte, gemeinnützige Einrichtungen für „wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit“ anzuwenden[11]. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG ist damit insoweit richtlinienwidrig, als die Vorschrift nicht nur die Leistungen, die steuerbegünstigte Körperschaften für wohltätige Zwecke im Bereich der sozialen Sicherheit erbringen, sondern alle Leistungen dieser Körperschaften, wie z.B. auch bei der Förderung des Sports, umfasst. Daher sind die Begriffe, die -unmittelbar oder mittelbar- gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG zur Anwendung des Regelsteuersatzes führen, weit auszulegen, während die Begriffe, die zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes führen, eng auszulegen sind[12].

Dabei hat das Finanzgericht zutreffend erkannt, dass der Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG i.V.m. §§ 64, 14 AO bei der gebotenen weiten Auslegung jedwede unternehmerische Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 UStG, also auch die Ausführung von Pferdepensionsleistungen umfasst.

Das Finanzgericht hat auch das Vorliegen der Zweckbetriebsvoraussetzungen gemäß § 65 AO zutreffend verneint. Nach § 65 AO ist ein Zweckbetrieb gegeben, wenn

  1. der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten, satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen,
  2. die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können und
  3. der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist.

Die steuerbegünstigten Zwecke können nur dann i.S. des § 65 Nr. 2 AO nur durch den Geschäftsbetrieb erreicht werden, wenn sich der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb von der Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks nicht trennen lässt, sondern das unentbehrliche und einzige Mittel zur Erreichung des steuerbegünstigten Zwecks ist[13]. Das Finanzgericht hat zutreffend erkannt, dass die umfassenden Pensionsleistungen zwar günstige Rahmenbedingungen für die Ausübung des Pferdesports, nicht aber ein unentbehrliches Mittel für die Erreichung des vom Reitverein verfolgten Zwecks, den Reitsport auf breiter Grundlage zu pflegen und ihn Erwachsenen und besonders der Jugend zugänglich zu machen, darstellen.

Zudem scheitert die Annahme eines Zweckbetriebs auch an § 65 Nr. 3 AO, weil der Reitverein mit seinem für die Erreichung seiner Zwecke nicht unentbehrlichen Geschäftsbetrieb nach den für den Bundesfinanzhof bindenden Feststellungen des Finanzgericht (§ 118 Abs. 2 FGO) im direkten Wettbewerb mit den in seinem Einzugsbereich befindlichen Betrieben steht.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 10. August 2016 – V R 14/15

  1. zur Berufbarkeit vgl. BFH, Urteile vom 16.10.2013 – XI R 34/11, BFHE 243, 435, Rz 33; vom 02.03.2011 – XI R 21/09, BFHE 233, 269, Rz 25; vom 03.04.2008 – V R 74/07, BFHE 221, 451, Rz 29[]
  2. vgl. hierzu auch unten unter II. 3.a sowie BFH, Urteil vom 04.04.2007 – I R 76/05, BFHE 217, 1, BStBl II 2007, 631, Rz 30[]
  3. EuGH, Urteil „Canterbury Hockey Club“ vom 16.10.2008 – C-253/07, EU:C:2008:571, Rz 35[]
  4. Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 18.02.2015 – 4 K 27/14[][]
  5. EuGH, Urteile Horizon College vom 14.06.2007 – C-434/05, EU:C:2007:343, Rz 43; Ygeia vom 01.12 2005 – C-394/04 und – C-395/04, EU:C:2005:734, Rz 34[]
  6. BFH, Urteil in BFHE 243, 435, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH und des BFH[]
  7. vgl. BFH, Urteile in BFHE 243, 435, Rz 59; in BFHE 221, 451, Rz 39; in BFHE 233, 269, Rz 35[]
  8. Schleswig-Holsteinisches FG, a.a.O.[]
  9. BFH, Urteil in BFHE 221, 451[]
  10. BFH, Urteil in BFHE 217, 1, BStBl II 2007, 631, Rz 30[]
  11. BFH, Urteile vom 20.03.2014 – V R 4/13, BFHE 245, 397, Rz 24; vom 08.03.2012 – V R 14/11, BFHE 237, 279, BStBl II 2012, 630 ff., zur gleichlautenden Nachfolgebestimmung in Art. 98 Abs. 2 und 3 MwStSystRL i.V.m. Anhang – III Nr. 15[]
  12. BFH, Urteile in BFHE 245, 397, m.w.N.; in BFHE 237, 279, BStBl II 2012, 630[]
  13. vgl. BFH, Urteil vom 19.02.2004 – V R 39/02, BFHE 205, 329, BStBl II 2004, 672[]