Die Überlassung von Vieheinheiten durch einen Gesellschafter an eine Personengesellschaft unter gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung eines Vorabgewinns erfolgt gegen Entgelt, wenn der Gesellschafter mit der Zahlung rechnen kann. Die Umsätze aus der Überlassung von Vieheinheiten unterliegen nicht der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG, sondern dem Regelsteuersatz.

Umsatzsteuerpflicht des Vorabgewinns
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer u.a. die sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
Entgeltliche Leistungen sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und unterliegen gemäß Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) dem Anwendungsbereich der Steuer, wenn zwischen dem Unternehmer und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, so dass das Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist[1].
Der unmittelbare Zusammenhang und damit ein steuerbarer Leistungsaustausch liegen nicht vor, wenn die Gesellschafter für ihre Gesellschaft Leistungen erbringen, die als Gesellschafterbeitrag nur im Rahmen der allgemeinen Gewinnverteilung vergütet werden. Diese allgemeine Gewinnbeteiligung ist weder Entgelt für das Halten der Beteiligung noch Entgelt für Tätigkeiten des Gesellschafters[2]. Denn die Gewinnentstehung hängt nicht unmittelbar mit der Leistungserbringung zusammen, sondern ist von einer Vielzahl von Faktoren und damit zumindest teilweise vom „Zufall“ abhängig[3]. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Leistungserbringung liegt dagegen vor, wenn die Leistung nach ihrem Umfang oder ihrer Menge abgegolten wird[4].
Dies gilt auch bei einer Leistungserbringung gegen Vorabgewinn. Nach dem BFH, Urteil vom 17.03.1994 – V R 39/92[5] kann ein (pachtähnlicher) Leistungsaustausch gegen Sonderentgelt vorliegen, wenn die Gesellschafter einer GbR ihre land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gegen einen von vornherein feststehenden und jährlich gleichbleibenden „Vorabgewinn“ zur Nutzung überlassen. Maßgebend hierfür war, dass sich der Vorabgewinn von vornherein nach den Leistungen richtete, die die Gesellschafter an die Gesellschaft erbrachten. Der Unterschied zu einer Gewinnverteilungsabrede lag in dem für die Nutzungsüberlassung angestrebten (besonderen), von vornherein feststehenden Entgelt[6].
Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall ist in der Vorinstanz das Finanzgericht Düsseldorf[7] unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung anhand einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände des Einzelfalls in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass die Überlassung der Vieheinheiten an die Ferkelaufzucht-KG steuerbar ist:
Das Finanzgericht hat § 10 Abs. 1b Satz 1 des Gesellschaftsvertrages ausgelegt und dahingehend gewürdigt, dass hierdurch ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Leistung des Landwirts (Überlassung von Vieheinheiten) und der hierfür von der Ferkelaufzucht-KG zu zahlenden Gegenleistung (5 € je Vieheinheit) hergestellt wird, indem die Gegenleistung ausdrücklich vom Umfang des jeweiligen Leistungsbetrages abhängig ist: Der Landwirt solle für seine Gesellschafterleistung grundsätzlich einen „Vorabgewinn“ von 700 € pro Wirtschaftsjahr erhalten.
Dass dieser Vorabgewinn im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander nicht als Aufwand behandelt wird und auch keine Betriebsausgabe der Gesellschaft darstelle (§ 10 Abs. 1b des Vertrages), stand dem nicht entgegen. Denn die Gewinnverteilung beruhte nicht auf vermuteten Gesellschafterbeiträgen aufgrund einer Chancen- und Risikogemeinschaft („Leistungsvereinigung“), sondern auf tatsächlich erbrachten Beiträgen. Die erhaltenen Zahlungen seien nicht Ausfluss einer allgemeinen Gewinnbeteiligung, sondern beruhten auf tatsächlich erbrachten Gesellschafterbeiträgen.
Schließlich sei die gesellschaftsvertragliche Regelung zum Wegfall des Vorabgewinns nicht derart zu gewichten, dass die bewusst geschaffene Abhängigkeit zwischen Gesellschafterleistung und Entgeltzahlung (Vorabgewinn) wieder entfalle und die Überlassung der Vieheinheiten insgesamt als nicht steuerbarer Gesellschafterbeitrag gewürdigt werden müsse. Soweit sich die Entgelterwartung des Landwirts tatsächlich nicht erfülle, weil die Ferkelaufzucht-KG nicht ausreichend Gewinne erwirtschafte, habe sich der Landwirt von vornherein mit einer Minderung des Entgelts einverstanden erklärt. Im Übrigen entspreche die Kürzung des Vorabgewinns auch dem Interesse des Landwirts als Komplementär der Ferkelaufzucht-KG. Denn im Hinblick auf das geringe Gesellschaftskapital bei Gründung (5.000 €) könne die Ferkelaufzucht-KG die von vornherein geschuldeten Zahlungen für die Überlassung der Vieheinheiten von insgesamt 2.600 € ohne den teilweisen Entgeltsverzicht nur im ersten Wirtschaftsjahr leisten und wäre danach zahlungsunfähig.
Diese Würdigung des Finanzgericht ist aufgrund der o.g. Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs möglich, entspricht den Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze[8]. Auch wenn bei einer Vergütung der erbrachten Leistung durch Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft die Annahme eines nicht steuerbaren Gesellschafterbeitrags grundsätzlich nahe liegt, gilt nach den vom Finanzgericht festgestellten Umständen im Streitfall etwas anderes. Aufgrund der niedrigen Kapitalverzinsung konnte der Landwirt fest davon ausgehen, für die von ihm überlassenen Vieheinheiten die vereinbarte und jährlich gleichbleibende Vergütung zu erhalten. Wie zwischen den Beteiligten unstrittig ist, kam es in keinem der Streitjahre zu einer Kürzung der Vergütung, so dass die getroffene Vereinbarung auch tatsächlich durchgeführt wurde.
Die Würdigung des Finanzgericht iist auch nicht im Hinblick auf das Urteil des Finanzgericht Münster in MwStR 2018, 721 zu beanstanden. Das Finanzgericht Münster hat in seinem Urteil eine andere Auslegung dann für möglich gehalten, wenn sich eine Gewinnabhängigkeit der Vergütung aus den sonstigen Regelungen des Vertrages oder dessen tatsächlicher Durchführung ergebe. Dabei sind die Unterschiede zwischen dem Streitfall und dem des Finanzgericht Münster zu beachten, die sich daraus ergeben, dass die Gesellschaftsverträge eine unterschiedliche Vergütung pro Vieheinheit (Streitfall: 5 €, Finanzgericht Münster: 10 €) sowie im Streitfall eine Kapitalverzinsung von lediglich 250 € (5 % von 5.000 €) vorsahen. Die Ferkelaufzucht-KG hatte im Streitfall daneben nur die Pacht für einen Ferkelaufzuchtstall (ca. 22.000 €) zu zahlen, während die Ferkelaufzucht-KG im Fall des Finanzgericht Münster einen Hof für ca. 70.000 € pachtete, so dass ein Verlust der Ferkelaufzucht-KG nicht nur möglich war, sondern in einem der Streitjahre auch tatsächlich eintrat.
Konnte der Landwirt nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des Finanzgerichts Düsseldorf davon ausgehen, die vereinbarte Vergütung jährlich zu erhalten, entfällt der Leistungsaustausch auch nicht dadurch, dass der Erhalt der Vergütung im Sinne der EuGH- und BFH-Rechtsprechung[9] ganz oder teilweise vom Zufall abhängig wäre. Im Übrigen steht dem steuerbaren Leistungsaustausch auch nicht entgegen, dass das zugrunde liegende Rechtsverhältnis nicht auf schuldrechtlichen Vereinbarungen beruht, sondern in einem Gesellschaftsvertrag geregelt wurde[10].
Regelsatzbesteuerung statt Durchschnittssatzbesteuerung
Das Finanzgericht Düsseldorf hat auch rechtsfehlerfrei entschieden, dass die steuerbaren Umsätze des Landwirts nicht der Durchschnittssatzbesteuerung, sondern dem Regelsteuersatz unterliegen:
Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG wird die Steuer für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen, bei denen es sich nicht um die in Satz 1 dieser Vorschrift näher bezeichneten Lieferungen von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen oder Leistungen mit Getränken handelt, auf 10, 7 % festgesetzt.
§ 24 UStG ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH richtlinienkonform entsprechend Art. 295 ff. der MwStSystRL auszulegen[11]. Danach finden die sog. Pauschalausgleich-Prozentsätze gemäß Art. 300 f. der MwStSystRL auf landwirtschaftliche Erzeugnisse und Dienstleistungen Anwendung.
Die hier streitige Überlassung von Vieheinheiten betrifft keine in landwirtschaftlichen Betrieben erzeugten Gegenstände i.S. des Art. 295 Abs. 1 Nr. 4 der MwStSystRL.
Es liegen auch keine landwirtschaftlichen Dienstleistungen vor.
Landwirtschaftliche Dienstleistungen sind „Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte oder der normalen Ausrüstung seines land, forst- oder fischwirtschaftlichen Betriebs erbracht werden und die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, und zwar insbesondere die in Anhang – VIII aufgeführten Dienstleistungen“ (Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 der MwStSystRL).
Hierzu hat der BFH im Urteil vom 28.05.2013 – XI R 32/11[12] entschieden, dass die Durchschnittssatzbesteuerung nicht für solche Leistungen gilt, die keinen landwirtschaftlichen Zwecken dienen und sich nicht auf normalerweise in land, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendeten Mittel beziehen. Demnach gehören zu den landwirtschaftlichen Dienstleistungen weder die Zurverfügungstellung von Flächen zur Durchführung ökologischer Ausgleichsmaßnahmen im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes[13] noch der Verkauf von sog. Ackerstatusrechten[14].
Durch die Überlassung von sog. Vieheinheiten an eine Mitunternehmerschaft wird es dieser sowohl einkommensteuerrechtlich als auch umsatzsteuerrechtlich ermöglicht, anstelle von gewerblichen Einkünften (Tierzucht) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu erzielen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes i.V.m. § 51a BewG) und die getätigten Umsätze der Durchschnittssatzbesteuerung zu unterwerfen (§ 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG). Der Kerngehalt der Überlassung von Vieheinheiten liegt damit in der Verschaffung von Steuervorteilen bei der Einkommen- und Umsatzsteuer.
Eine derartige Dienstleistung ist nicht im Leistungskatalog enthalten und -bei der unionsrechtlich gebotenen engen Auslegung der Pauschalregelung- auch den dort genannten Leistungen nicht vergleichbar: Als landwirtschaftliche Dienstleistungen gelten insbesondere die in Anhang – VIII der MwStSystRL aufgezählten Dienstleistungen. Die Überlassung von Vieheinheiten durch den Landwirt fällt weder unter „Hüten, Zucht und Mästen von Vieh“ (Anhang VIII Nr. 4 zu Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 der MwStSystRL) noch unter die „Vermietung normalerweise in land, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendeter Mittel zu landwirtschaftlichen Zwecken“ (Anhang VIII Nr. 5 zu Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 der MwStSystRL). Die Überlassung der Vieheinheiten ist auch keiner der aufgeführten Leistungen vergleichbar, denn sie steht in keinem direkten Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Produktion. Während die im Anhang aufgelisteten Dienstleistungen in einem direkten Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Produktion stehen, unterstützt die Überlassung der Vieheinheiten den Leistungsempfänger nicht dabei, Tiere zu halten, zu züchten und zu verwerten. Sie dient mithin nicht landwirtschaftlichen Zwecken, sondern steuerlichen Zwecken[15].
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12. November 2020 – V R 22/19
- BFH, Urteile vom 04.07.2013 – V R 33/11, BFHE 242, 280, BStBl II 2013, 937; vom 15.04.2010 – V R 10/08, BFHE 229, 406, BStBl II 2010, 879, Rz 19, sowie vom 05.12.2007 – V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, unter II. 1.a[↩]
- EuGH, Urteil Heerma vom 27.01.2000 – C-23/98, EU:C:2000:46, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 2000, 316, Rz 13[↩]
- EuGH, Urteile Floridienne, Berginvest vom 14.11.2000 – C-142/99, EU:C:2000:623, Umsatzsteuer-Rundschau, Rz 23, sowie Cibo Participations vom 27.09.2001 – C-16/00, EU:C:2001:495, HFR 2001, 1213, Rz 43[↩]
- BFH, Urteile vom 25.05.2000 – V R 66/99, BFHE 191, 458, BStBl II 2004, 310; vom 07.12.1967 – V 45/65, BFHE 91, 448, BStBl II 1968, 398; vom 10.05.1990 – V R 47/86, BFHE 161, 185, BStBl II 1990, 757; BFH, Urteile vom 16.03.1993 – XI R 44/90, BFHE 171, 114, BStBl II 1993, 529, und – XI R 45/90, BFHE 171, 122, BStBl II 1993, 530[↩]
- BFHE 174, 268, BStBl II 1994, 538[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 174, 268, BStBl II 1994, 538, unter II. 2.b[↩]
- FG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2018 – 1 K 1018/16 U[↩]
- vgl. hierzu allgemein BFH, Urteile vom 18.01.2005 – V R 17/02, BFH/NV 2005, 1394; vom 16.05.2002 – V R 4/01, BFH/NV 2002, 1347, unter II. 1., sowie in BFHE 161, 185, BStBl II 1990, 757, unter II. 2.a; BFH, Urteile vom 06.09.2016 – IX R 44/14, BFHE 255, 148, BStBl II 2018, 323, Rz 28, sowie vom 10.08.2016 – XI R 41/14, BFHE 255, 300, BStBl II 2017, 590, Rz 38[↩]
- EuGH, Urteil Baštová vom 10.11.2016 – C-432/15, EU:C:2016:855, HFR 2017, 82, Rz 40; BFH, Urteil vom 30.08.2017 – XI R 37/14, BFHE 259, 175, BStBl II 2019, 336; und vom 10.06.2020 – XI R 25/18, Deutsches Steuerrecht 2020, 2240, BFHE 270, 181[↩]
- s. allgemein BFH, Urteile vom 08.11.2007 – V R 20/05, BFHE 219, 403, BStBl II 2009, 483, und in BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 08.02.2018 – V R 55/16, BFHE 261, 181, Rz 21; und vom 24.01.2013 – V R 34/11, BFHE 239, 552, BStBl II 2013, 460, Rz 22; BFH, Urteil vom 21.01.2015 – XI R 13/13, BFHE 248, 462, BStBl II 2015, 730, Rz 17[↩]
- BFHE 243, 419, BStBl II 2014, 411[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 243, 419, BStBl II 2014, 411[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 261, 181[↩]
- vgl. FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.11.2016 – 4 K 84/14, EFG 2017, 259[↩]
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