Milchabgabe ist EU-Rechts-konform

Die Vereinbarkeit der Vorschriften über die Milchabgabe mit höherrangigem Recht ist wiederholt Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen gewesen[1]. An der Gültigkeit der der Milchabgabe zugrunde liegenden unionsrechtlichen Vorschriften bestehen keine Zweifel[2].

Milchabgabe ist EU-Rechts-konform

Wie vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften[3] ausgeführt, verfügt der Gesetzgeber im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik (Art. 33 EG) über ein weites Ermessen, das er mit Erlass der VO Nr. 1788/2003 nicht überschritten hat, indem er das in Art. 33 Abs. 1 Buchst. c EG ausdrücklich erwähnte Ziel der Stabilisierung der Märkte verfolgt und diesem Ziel Vorrang eingeräumt hat. Die in der VO Nr. 1788/2003 vorgesehene Abgabenregelung zielt darauf ab, auf dem durch strukturelle Überschüsse gekennzeichneten Milchmarkt durch eine Beschränkung der Milcherzeugung das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wiederherzustellen, und hält sich daher im Rahmen der Ziele, die Milcherzeugung zu rationalisieren und für die betroffene landwirtschaftliche Bevölkerung durch einen Beitrag zur Stabilisierung ihres Einkommens eine angemessene Lebenshaltung aufrechtzuerhalten. Auch mit den in Art. 33 Abs. 1 Buchst. a und b EG genannten Zielen ist die VO Nr. 1788/2003 vereinbar[4].

Dass der Unionsgesetzgeber berechtigt ist, die Milchproduktion in der Union zu beschränken, indem er Überproduktion mit einer Abgabe belegt, steht also nach der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesfinanzhofs fest. Dabei liegt es im Ermessen des Verordnungsgebers, die Milcherzeuger auch unabhängig von einem Milchrichtpreis zur Einhaltung einer bestimmten Produktionsmenge mithilfe einer Milchabgabe anzuhalten[5]. Eine Überschreitung des diesbezüglich unionsrechtlich eingeräumten Ermessensspielraums ist nicht erkennbar.

Wie bereits in den BFH-Beschlüssen in BFH/NV 2014, 585, 588 und in BFH/NV 2014, 741, 743 f. ausgeführt, rechtfertigen selbst etwaige zur Nichtigkeit der VO Nr. 1788/2003 führende Verstöße gegen wesentliche Formvorschriften im europäischen Gesetzgebungsverfahren die Zulassung der Revision nicht. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Selbst wenn die gesamte (inzwischen außer Kraft getretene) VO Nr. 1788/2003 wegen Missachtung des Konzertierungsverfahrens durch den Rat sowie des nicht einstimmig gefassten Beschlusses über ihre Verabschiedung nichtig gewesen sein sollte, wäre auch Art. 25 VO Nr. 1788/2003 über die Aufhebung der VO Nr. 3950/92 nichtig. Die VO Nr. 3950/92 hätte weiter gegolten und wäre weiterhin die unionsrechtliche Grundlage für die Erhebung der Milchabgabe geblieben. Dass bei Fortgeltung der VO Nr. 3950/92 keine oder eine geringere Milchabgabe gegen den Landwirt festzusetzen gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Vielmehr wäre auch die im Zusammenhang mit der VO Nr. 1788/2003 erlassene Verordnung (EG) Nr. 1787/2003 des Rates vom 29.09.2003 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1255/1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse in diesem Fall nichtig und der Milchrichtpreis nicht aufgehoben worden. Es wäre der Richtpreis gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1255/1999 des Rates vom 17.05.1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse anzuwenden. Der sich daraus ergebende Milchabgabensatz wäre -wie vom Finanzgericht zu Recht dargelegt- letztlich höher als der sich aus Art. 2 VO Nr. 1788/2003 ergebende Abgabensatz.

Vorgetragene Bedenken hinsichtlich der Fortgeltung der VO Nr. 1255/1999 über den 1.04.2004 hinaus und somit nach dem Beitritt neuer Mitgliedstaaten zur EU spielen im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall bereits mangels Betroffenheit des klagenden Landwirts keine Rolle. Eine etwaige Diskriminierung von Milcherzeugern anderer Länder kann der Landwirt nicht geltend machen. Darüber hinaus haben sich die Beitrittsländer 2004 dem System der Milchabgabenpflicht für Erzeuger im Fall einer Überproduktion unterworfen, indem sie auf der Grundlage der Beitrittsakte seit dem 1.05.2004 als neue Mitgliedstaaten den EU-Besitzstand einschließlich der vollständigen Milchquotenregelung anwenden. Entgegen der Auffassung des Landwirts, die Erhebung einer Milchabgabe entspreche für die Zeit nach 2004 nicht mehr der gemeinsamen Agrarpolitik aller Mitgliedstaaten, ist die Festsetzung einer Milchabgabe nach der Rechtsprechung des EuGH also weiterhin ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel zur Einhaltung einer bestimmten Produktionsmenge.

Der Hinweis auf die kritische Stellungnahme des juristischen Dienstes des Rates der EU zur Rechtsgrundlage der Milchabgabe kann die Argumentation des Landwirts nicht stützen, da sie sich lediglich auf das Quotenjahr 2014/2015 bezieht und somit die Besonderheit des letzten ZMZ vor Ende der Milchquotenregelung betrifft.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16. April 2015 – VII B 44/14

  1. vgl. EuGH, Urteil vom 14.05.2009 – C-34/08 -Azienda Agricola Disarò Antonio u.a., Slg. 2009, I-4023, ZfZ 2009, 219; und BFH, Beschluss vom 07.10.2009 – VII B 253/08, BFH/NV 2010, 267, m.w.N.[]
  2. vgl. BFH, Beschlüsse vom 27.11.2013 – VII B 86/12, BFH/NV 2014, 585, und – VII B 87/12, BFH/NV 2014, 741[]
  3. EuGH, Urteil in Slg. 2009, I-4023 Rz 44 ff., ZfZ 2009, 219, 221[]
  4. s. auch BFH, Beschlüsse in BFH/NV 2014, 585, 587, und in BFH/NV 2014, 741, 743[]
  5. vgl. EuGH, Urteile vom 25.03.2004 – C-231/00 u.a. -Cooperativa Lattepiù u.a.-, Slg. 2004, I-2869, und in Slg. 2009, I-4023, ZfZ 2009, 219; BFH, Beschlüsse in BFH/NV 2010, 267, 268; vom 13.07.2011 – VII B 223/10, BFH/NV 2011, 1732, sowie in BFH/NV 2014, 585, 588, und in BFH/NV 2014, 741, 743[]