Ein Schweinezüchter ist nach einem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts berechtigt, Zuchtsauen durch Inanspruchnahme der Bewertungsfreiheit gem. § 6 Abs. 2 EStG auf einen Erinnerungswert von 1,00 € abzuschreiben. Nach § 6 Abs. 2 EStG können die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die einer selbständigen Nutzung fähig sind, im Wirtschaftsjahr der Herstellung in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden, wenn die Herstellungskosten, vermindert um den darin enthaltenen Vorsteuerbetrag für das einzelne Wirtschaftsgut 410,00 € nicht übersteigen. Diese Voraussetzungen sind bei Zuchtsauen grundsätzlich erfüllt.

Das Abschreibungsvolumen ist auch nicht durch den Schlachtwert der Sauen als zu beachtenden Restwert begrenzt. Dem steht die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Ansatz von Schlachtwerten bei der Vornahme von AfA auf Viehbestände nicht entgegen, weil diese sich auf eine andere Sachverhaltskonstellation bezieht.
Der Bundesfinanzhof hat erkannt, dass für im Anlagevermögen befindlichen Viehbestand bei der Inanspruchnahme der Bewertungsfreiheit gem. § 6 Abs. 2 EStG ein Schlachtwert als Mindestwert zu berücksichtigen sei und eine Sofortabschreibung auf einen Erinnerungswert nicht in Betracht komme. Hierzu hat er sich auf frühere Urteile zur Berücksichtigung von Schlachtwerten im Rahmen der Vornahme von AfA gem. § 7 EStG bezogen und die dort dargelegte Sichtweise auf die Inanspruchnahme der Bewertungsfreiheit gem. § 6 Abs. 2 EStG übertragen.
Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht musste dabei nicht entscheiden, ob dieser Rechtsprechung zu folgen wäre, wenn eine vergleichbare Sachverhaltskonstellation gegeben wäre, weil der vorliegende Sachverhalt in einem entscheidenden Punkt von demjenigen abweicht, über den der Bundesfinanzhof entschieden hat. In seinem Urteil hat der Bundesfinanzhof ausdrücklich klargestellt, dass der Ansatz des Schlachtwertes in der zweifachen Zweckbestimmung der Tiere seine Rechtfertigung finde. Sie kommt demgemäß nicht in Betracht, wenn sich eine solche doppelte Zweckbestimmung nicht feststellen lässt. Letzteres ist aber hier der Fall. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass der züchtende Landwirt beabsichtigte, die Sauen zu Umlaufvermögen umzuwidmen, nachdem er sie aus dem Zuchtbetrieb entfernen würde. Dies setzte nämlich voraus, dass der Kläger im Hinblick auf die Sauen Maßnahmen zur Förderung ihrer Verkaufsfähigkeit zu ergreifen beabsichtigte. Das lässt sich hier indes nicht feststellen. Die beabsichtigte Veräußerung der Sauen stellt sich daher als Veräußerung von Anlagevermögen dar.
Die Zugehörigkeit zu der einen oder anderen Gruppe der Wirtschaftsgüter ist nicht etwas, was dem Wirtschaftsgut selbst anhaftet, sondern wird ausschließlich durch die Art der Verwendung im Betrieb und damit durch eine subjektive Zweckwidmung bei gleichzeitiger Betrachtung der konkreten objektiven betrieblichen Erfordernisse festgelegt. Danach sind die Sauen hier auch noch im Zeitpunkt ihrer (beabsichtigten) Veräußerung dem Anlagevermögen zuzuordnen. Denn der Kläger hat die Tiere ursprünglich hergestellt, um mit ihnen Ferkel zu produzieren. Die Sauen waren folglich zunächst dazu bestimmt, dem Betrieb des Klägers für längere Zeit als Produktionsmittel zu dienen und daher ab dem Zeitpunkt ihrer Herstellung – insoweit zwischen den Beteiligten unstreitig – als Anlagevermögen zu qualifizieren. Diese Zweckbestimmung endet zwar in dem Zeitpunkt, in dem der Kläger die Sauen aus wirtschaftlichen Gründen aus dem Zuchtbetrieb herausnimmt und veräußert. Aus dieser Herausnahme aus dem Zuchtbetrieb allein ergibt sich jedoch nicht, dass die Tiere in diesem Augenblick zu Umlaufvermögen werden, denn sie besagt für sich genommen noch nichts darüber, ob sich die anschließende Veräußerung der Sauen als Veräußerung von Anlage- oder von Umlaufvermögen darstellt.
Auch daraus, dass die Veräußerung der Sauen von vornherein beabsichtigt gewesen sein mag, lässt sich kein entsprechender Schluss ziehen. Denn allein die Absicht, ein bestimmtes Wirtschaftsgut zu veräußern, vermag nicht dessen Zugehörigkeit zum Umlaufvermögen zu begründen, wenn es im Betrieb unverändert genutzt wird und keine besonderen Aktivitäten erkennbar sind, die zu einem Wechsel in das Umlaufvermögen führen könnten.
Der Bundesfinanzhof hat dazu festgestellt, dass der dortige Kläger seine Tiere allein zum Zweck des späteren Verkaufs als Schlachttiere noch einige Zeit gefüttert habe, nachdem ihre Nutzung als Anlagevermögen beendet war. Solche Aktivitäten des Klägers, die allein dem Zweck des späteren Verkaufs der Tiere gedient hätten, sind hier bei den Zuchtsauen jedoch nicht ersichtlich. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts hat der klagende Landwirt die Sauen unverzüglich der Schlachtung zugeführt, sobald ihre Verwendung für die Zucht unwirtschaftlich geworden war. Irgendwelche Maßnahmen, um den Verkaufswert der Tiere zu erhöhen, hat er nicht ergriffen. Es erfolgte aus wirtschaftlichen Gründen insbesondere keine Aufmästung der Tiere, um ein besseres Schlachtgewicht zu erreichen. Insofern hat der Kläger glaubhaft vorgetragen – und der Beklagte hat dies auch gar nicht in Abrede gestellt –, dass der hierfür erforderliche Mehraufwand an Futtermitteleinsatz in keinem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zu dem hierdurch zu erzielenden Mehrerlös stehe.
Soweit der Landwirt die Tiere noch einige Zeit in seinem Betrieb versorgt haben mag, bis sie zur Schlachtung abtransportiert worden sind, lässt sich daraus eine Umwidmung der Tiere zu Umlaufvermögen nicht entnehmen. Insofern ist die Besonderheit zu beachten, dass es sich bei den Sauen um im Anlagevermögen befindliche Lebewesen handelte. Dem Landwirt oblag deshalb die – auch straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlich bewehrte – Pflicht, die Tiere auch in der Zeitspanne zwischen Herausnahme aus dem Zuchtbetrieb und Abtransport zum Schlachthof ordnungsgemäß zu versorgen. Rückschlüsse auf eine Umwidmung zu Umlaufvermögen lassen sich daraus, dass er diese Pflicht erfüllte, daher nicht ziehen.
Da auch ansonsten keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Umwidmung der Sauen zu Umlaufvermögen vorgetragen oder sonst ersichtlich sind, stellt sich ihre Veräußerung im direkten Anschluss an ihre Nutzung zur Produktion als Veräußerung von Anlagevermögen dar. Sie ist damit als reines Hilfsgeschäft anzusehen und rechtfertigt nicht die Berücksichtigung eines Schlachtwertes bei der Inanspruchnahme der Bewertungsfreiheit gemäß § 6 Abs. 2 EStG.
Es bedarf daher keiner Klärung der Frage, ob ein Schlachtwert nicht ohnehin erst im Zeitpunkt einer etwaigen Umwidmung bisherigen Anlagevermögens zu Umlaufvermögen anzusetzen wäre, statt das Abschreibungsvolumen des § 6 Abs. 2 EStG im Zeitpunkt des Zugangs der Sauen zu begrenzen.
Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 3. Dezember 2009 – 1 K 264/06