In seinem Urteil vom 04.06.1992 [1] hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass bei der Absetzung für Abnutzung von Tieren des Anlagevermögens ein Schlachtwert zu berücksichtigen ist, und dies im Wesentlichen mit der zweifachen Zweckbestimmung der Nutzung dieser Tiere zur Produktion und als Schlachtvieh begründet. Auf den Aspekt der zweifachen Zweckbestimmung hat der Bundesfinanzhof sich ebenfalls in späteren Entscheidungen [2] gestützt und entschieden, dass ein Schlachtwert auch bei Inanspruchnahme der Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 2 EStG berücksichtigt werden müsse, wenn von vornherein eine Nutzung der Tiere zunächst zur Zucht und anschließend ‑einhergehend mit einer Umwidmung zum Umlaufvermögen- zur Mast beabsichtigt sei.

Diese , dass kein Schlachtwert bei der Bewertung von Zuchttieren nach § 6 Abs. 2 EStG anzusetzen ist, wenn diese nach dem Ende der Nutzung für Zuchtzwecke nicht zur Erreichung eines höheren Schlachtgewichts gemästet, sondern unmittelbar geschlachtet werden sollen [3]. In einem solchen Fall fehlt es an einer doppelten Zweckbestimmung des Tiers und damit an dem Erfordernis, den Wert im Zeitpunkt der geplanten Umwidmung zum Umlaufvermögen als Untergrenze der Bewertung zu berücksichtigen.
Sollte dagegen nicht beabsichtigt gewesen sein, die Zuchtsauen nach Ende der Nutzung für Zuchtzwecke zur Erreichung eines höheren Schlachtgewichts aufzumästen, entfiele der Ansatz eines Schlachtwerts bereits nach den Grundsätzen, die der [4] aufgestellt hat.Die Tiere wären aufgrund der Inanspruchnahme der Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG in allen Bilanzen mit einem Wert von 0 DM bzw. 0 EUR zu bewerten. Eine Gewinnerhöhung aufgrund des Ansatzes eines Mindestwerts in der Bilanz wäre fehlerhaft.
Sollte hingegen eine Umwidmung der Tiere zum Umlaufvermögen beabsichtigt gewesen und deshalb mindestens der Wert in Höhe des bei Umwandlung voraussichtlich bestehenden Restwerts (= Schlachtwert) in der Bilanz auszuweisen sein, hätte dies bereits in der Bilanz auf den 30.06.2000 berücksichtigt werden müssen. Der Gewinn des Streitjahrs wäre von dem früheren Bilanzierungsfehler unbeeinflusst, weil der Landwirt die Tiere in den Bilanzen auf den 30.06.2001 und 2002 jeweils mit dem Schlachtwert bewertet hat.
Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG darf der Steuerpflichtige die Vermögensübersicht (Bilanz) auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der Vorschriften des EStG nicht entspricht. Während die Rechtsprechung früher ‑insoweit in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Beteiligten- nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG zu ändernde Bilanzierungsfehler überwiegend nur dann angenommen hat, wenn der Steuerpflichtige die Fehlerhaftigkeit nach den im Zeitpunkt der Bilanzerstellung bestehenden subjektiven Erkenntnismöglichkeiten der zum Bilanzstichtag gegebenen objektiven Verhältnisse bei pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung erkennen konnte [5], hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs diese Beurteilung im vorgenannten Beschluss [6] wieder eingeschränkt: Soweit es die Beurteilung bilanzrechtlicher Rechtsfragen betrifft, stellt der Große Senat des Bundesfinanzhofs nunmehr alleine auf die objektiv richtige Rechtslage im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung ab. Dies gilt zu Gunsten wie zu Ungunsten des Steuerpflichtigen, denn der Steuerpflichtige kann sich nicht darauf berufen, dass der gewählte Bilanzansatz nach den Erkenntnismöglichkeiten eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung vertretbar war [7]. Die Bilanzansätze sind danach bezogen auf die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG auf ihre objektive Richtigkeit nach der am Bilanzstichtag geltenden Rechtslage zu prüfen [8]. Auf die objektive Rechtslage im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung kommt es auch dann an, wenn die vom Steuerpflichtigen einem Bilanzansatz zugrunde gelegte Rechtsauffassung der seinerzeit von der Finanzverwaltung und/oder Rechtsprechung gebilligten Bilanzierungspraxis entsprach. Auch in einem solchen Fall ist allein die im Zeitpunkt der endgültigen Entscheidung maßgebliche, objektiv zutreffende Rechtslage zugrunde zu legen [9].
Ein Bilanzierungsfehler des Steuerpflichtigen ist grundsätzlich bei der Steuerfestsetzung oder Gewinnfeststellung für den Veranlagungszeitraum zu berichtigen, in dem der Fehler erstmals aufgetreten ist und steuerliche Auswirkungen hat. Das gilt auch dann, wenn die Bilanzierung auf einer später geänderten Rechtsprechung beruht. Liegt die fehlerhafte Bilanz einem Steuer- oder Feststellungsbescheid zugrunde, der aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr geändert werden kann, so ist nach dem Grundsatz des formellen Bilanzzusammenhangs der unrichtige Bilanzansatz grundsätzlich bei der ersten Steuerfestsetzung oder Gewinnfeststellung richtigzustellen, in der dies unter Beachtung der für den Eintritt der Bestandskraft und der Verjährung maßgeblichen Vorschriften möglich ist [10].
Sollte die Bewertung des Tierbestands objektiv fehlerhaft gewesen sein, weil wegen der zweifachen Zweckbestimmung ein Schlachtwert anzusetzen war, hätte dieser Fehler durch Berichtigung der Bilanz korrigiert werden müssen, die der ersten noch nicht bestandskräftigen Veranlagung des Landwirts zugrunde lag.
Dies wäre im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall die Bilanz auf den 30.06.2000 gewesen, denn bei Ergehen bzw. Veröffentlichung des Urteils vom 15.02.2001 war die Veranlagung für das Jahr 2000, bei der die Hälfte des Gewinns des Wirtschaftsjahrs 1999/2000 zu berücksichtigen war, noch nicht erfolgt. Dass für den Veranlagungszeitraum 1999 zu diesem Zeitpunkt bereits eine bestandskräftige Veranlagung vorlag, so dass die auf das Jahr 1999 entfallende Hälfte der Gewinnerhöhung für das Wirtschaftsjahr 1999/2000 nicht mehr der Besteuerung unterworfen werden könnte, steht einer Berichtigung der Bilanz auf den 30.06.2000 nicht entgegen. Zwar ist nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG eine Änderung der Bilanz nicht zulässig, wenn die Bilanz einer Steuerfestsetzung zugrunde liegt, die nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann. Diese Regelung ist aber erstmals auf die Berichtigung von Bilanzen anzuwenden, auf denen die Einkommensteuerfestsetzungen in den Veranlagungszeiträumen ab 2007 beruhen [11]. Im Streitjahr (2001) gilt stattdessen noch die frühere Rechtslage, wonach ein fehlerhafter Bilanzansatz selbst dann in der ersten noch offenen Bilanz richtigzustellen ist, wenn dadurch die auf den vorausgegangenen, aber bestandskräftig abgeschlossenen Veranlagungszeitraum entfallende Gewinnerhöhung nicht mehr berücksichtigt werden kann [12].
Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass das Finanzamt den gewählten Bilanzansatz im Rahmen des Einkommensteuerbescheids 2000 korrigiert hat und dieser ebenfalls bestandskräftig geworden ist. Eine Bindung des Landwirts kann sich daraus schon deshalb nicht ergeben, weil es ihm nicht verwehrt ist, die vom Finanzamt für erforderlich gehaltenen Bilanzansätze nicht in seine Steuerbilanzen zu übernehmen. Ein Steuerpflichtiger ist unter keinem Gesichtspunkt gezwungen, eine von ihm für unrichtig erachtete Rechtsauffassung des Finanzamt in seine Bilanzen zu übernehmen [13]. Dem steht im Streitfall auch nicht entgegen, dass der Landwirt seinen Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2000 zurückgenommen hat, denn die unterschiedliche Auffassung vom zutreffenden Bilanzansatz hatte bezogen auf den Veranlagungszeitraum 2000 wegen der zeitanteiligen Gewinnzurechnung gemäß § 4a Abs. 2 Nr. 1 EStG keine steuerlichen Auswirkungen, weshalb sich der Landwirt mangels Beschwer auch nicht gegen den entsprechenden Einkommensteuerbescheid wehren konnte [14].
Bundesfinanzhof, Urteil vom 5. Juni 2014 – IV R 29/11
- BFH, Urteil vom 04.06.1992 – IV R 101/90, BFHE 169, 397, BStBl II 1993, 276[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 195, 175, BStBl II 2001, 549[↩]
- BFH, Urteil vom 24.07.2013 – IV R 1/10, BFHE 243, 175, BStBl II 2014, 246[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 243, 175, BStBl II 2014, 246[↩]
- vgl. dazu die Rechtsprechungsnachweise bei BFH, Beschluss vom 31.01.2013 – GrS 1/10, BFHE 240, 162, BStBl II 2013, 317, Rz 36 ff.[↩]
- BFH, a.a.O., Rz 56 ff.[↩]
- BFH, Beschluss BFH in BFHE 240, 162, BStBl II 2013, 317, Rz 56[↩]
- vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 33. Aufl., § 4 Rz 681[↩]
- BFH (GrS), Beschluss des BFH in BFHE 240, 162, BStBl II 2013, 317, Rz 66[↩]
- BFH (GrS), Beschluss in BFHE 240, 162, BStBl II 2013, 317, Rz 77[↩]
- BFH, Urteil vom 19.07.2011 – IV R 53/09, BFHE 234, 221, BStBl II 2011, 1017[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 234, 221, BStBl II 2011, 1017, Rz 14[↩]
- BFH, Urteil vom 26.11.1974 – VIII R 258/72, BFHE 114, 226, BStBl II 1975, 206[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 04.04.1974 – IV R 7/71, BFHE 112, 331, BStBl II 1974, 522, und in BFHE 114, 226, BStBl II 1975, 206[↩]