Vertrauensschutz bei der EU-Agrarförderung

Rechtstechnisch wird die Gewährung von Leistungen der EU-Agrarförderung durch zwei Bescheide geregelt:

Vertrauensschutz bei der EU-Agrarförderung
  • Mit dem Bewilligungsbescheid wird der Höchstbetrag der jährlichen Zuwendung bestimmt.
  • Mit der Auszahlungsmitteilung wird die Höhe der Zuwendung für das jeweilige Kalenderjahr konkretisiert.

Bei beiden Regelungen handelt es sich um Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG.

Rücknahme nach § 48 VwVfG

Sind Leistungen rechtswidrig gewährt, müssen beide Bescheide zurückgenommen werden, wobei sich die Rücknahme nach § 48 VwVfG richtet.

Das Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union enthält keine Rechtsvorschriften, die die Befugnis der Behörden gegenüber dem Beihilfeempfänger regeln, Bewilligungsbescheide über in Durchführung des Gemeinschaftsrechts gewährte Prämien und Beihilfen zurückzunehmen oder zu widerrufen. So wird die hier Zuwendung zwar auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts gewährt, nämlich aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates vom 17. Mai 1999; die Rücknahme von rechtswidrigen Bescheiden erfolgt jedoch nach nationalem Recht. Soweit es bei der Agrarförderung nicht um eine produktbezogene, sondern um produktionsverfahrensbezogene Zuwendung geht, ist nicht § 10 MOG einschlägig.

Vertrauensschutz

Gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den – europarechtlich modifizierten – Einschränkungen des § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG zurückgenommen werden.

Vertrauensschutz folgt in Fällen der EU-Agrarförderung nicht aus § 48 Abs. 2 VwVfG, sondern aus insoweit vorhandenen Spezialregelungen des EU-Rechts. Diese Vorschriften gehen bei der Rückforderung von Beihilfen, die ihre Rechtfertigung im EU-Recht haben, dem nationalen Recht vor.

Einschlägig sind die Artikel 73 und 73 a der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21.04.2004. Dabei regelt Artikel 73 a der Verordnung die Wiedereinziehung zu Unrecht zugewiesener Ansprüche, also die Rücknahme des Bewilligungsbescheides, und Artikel 73 die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beträge, also die Rücknahme der Auszahlungsmitteilung.

Nach Artikel 73 a der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 steht dem Kläger im Hinblick auf den Bewilligungsbescheid Vertrauensschutz grundsätzlich nicht zu. Gemäß Absatz 1 der Vorschrift muss der Betriebsinhaber zu Unrecht zugewiesene Zahlungsansprüche an die nationale Reserve zurückgeben, wenn festgestellt worden ist, dass bestimmte Zahlungsansprüche zu Unrecht zugewiesen wurden. Die zu Unrecht zugewiesenen Zahlungsansprüche gelten als von Anfang an nicht zugewiesen. Vertrauensschutz ist nach dieser Bestimmung ausgeschlossen.

Dies ist jedoch anders, wenn zugewiesene Zahlungsansprüche in der Vergangenheit Rechtsgrund für die Auszahlung von Agrarförderleistungen gewesen sind. Denn hierfür ist Art. 73 der Verordnung einschlägig. Soweit der Bewilligungsbescheid Rechtsgrund für die Auszahlung der Förderung ist und soweit die Zahlung wegen Vertrauensschutzes nach Art. 73 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 nicht zurückgefordert werden kann, stehen auch der Rücknahme des Bewilligungsbescheides Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen.

Verwaltungsgericht Göttingen, Urteil vom 26. November 2009 – 2 A 156/08