Verpachtung von Grundbesitz an Pauschallandwirte – und die Option des Verpächters zur Umsatzsteuer

Verpachtet ein Unternehmer ein Grundstück an einen Landwirt, der seine Umsätze gemäß § 24 Abs. 1 UStG nach Durchschnittssätzen versteuert, kann der Verpächter nicht auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG verzichten[1].

Verpachtung von Grundbesitz an Pauschallandwirte  – und die Option des Verpächters zur Umsatzsteuer

Bei der Verpachtung von Grundbesitz an sog. Pauschallandwirte darf der Verpächter mithin nicht auf die Umsatzsteuerfreiheit verzichten. Damit wendet sich der Bundesfinanzhof gegen ein von der Finanzverwaltung akzeptiertes Gestaltungsmodell.

Im Streitfall hatte der Verpächter einen Rinderboxenlaufstall mit Melkkarussell sowie einen Kälberaufzuchtstall errichtet und an eine zusammen mit seiner Frau gebildete Gesellschaft bürgerlichen Recht (GbR) verpachtet. Die GbR betrieb Landwirtschaft und wendete auf ihre Umsätze gemäß § 24 Abs. 1 UStG sog. Durchschnittssätze an. Als Pauschallandwirtin war sie zugleich zu einem fiktiven Vorsteuerabzug in Höhe der Umsatzsteuer berechtigt, so dass für sie keine Steuerschuld entstand. Aufgrund dieser Sonderregelung war sie allerdings aus tatsächlichen Leistungsbezügen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Der Verpächter erklärte in Übereinstimmung mit der Auffassung der Finanzverwaltung (Abschn.09.2 Abs. 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses) gemäß § 9 Abs. 2 UStG den Verzicht auf die Steuerfreiheit seiner Verpachtungsleistungen; denn nur bei Steuerpflicht seiner Leistungen kann er den Vorsteuerabzug aus der Errichtung der verpachteten Gegenstände geltend machen. In Kombination mit der Vorsteuerpauschalierung bei der GbR wäre das sog. Vorschalten einer Verpachtung insoweit vorteilhaft, als eine bei der GbR nicht abziehbare Vorsteuer aus den Errichtungskosten nun für den Verpächter abziehbar sein sollte.

Demgegenüber hat der Bundesfinanzhof dem Verpächter den Vorsteuerabzug versagt. Nach seinem Urteil kommt es für den Verzicht auf die Steuerfreiheit darauf an, ob die Pächter-GbR aus der konkret an sie erbrachten Pachtleistung zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Denn § 9 Abs. 2 UStG verlangt einen leistungsbezogenen Vorsteuerabzug. Diese Voraussetzung trifft entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung auf Pächter nicht zu, die ihre Umsätze nach § 24 Abs. 1 UStG erfassen und denen das Gesetz deshalb einen Vorsteuerabzug unabhängig von tatsächlichen Leistungsbezügen pauschal gewährt.

Nach Angaben des Bundesrechnungshofs wenden über 70 % der Landwirte in Deutschland die Sonderregelung nach § 24 Abs. 1 UStG an. Aufgrund des Urteils des Bundesfinanzhofs kommt für sie -ebenso wie bei nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Banken und Sparkassen- der Einsatz sog. Vorschaltmodelle nicht mehr in Betracht.

Der Verzicht nach § 9 Abs. 2 UStG setzt nach § 9 Abs. 1 und 2 UStG eine Leistung an einen Unternehmer voraus, der diese Leistung für zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze verwendet.

Der Unternehmer ist gemäß § 9 Abs. 1 UStG berechtigt, auf die Steuerfreiheit der dort bezeichneten Leistungen zu verzichten, wenn er den Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausführt. Der Zweck der Regelung besteht darin, den mit dem Vorteil der Steuerfreiheit nach § 4 UStG verbundenen Nachteil des Vorsteuerausschlusses nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für bestimmte Leistungen zu vermeiden[2].

Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG ist allerdings der Verzicht auf die Steuerbefreiung bei der Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken i.S. von § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen.

Nach der amtlichen Gesetzesbegründung zum Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz vom 21.12 1993[3] dient § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG der Bekämpfung sog. Vorschaltmodelle: „Zwischenzeitlich sind weitere Gestaltungsformen zur Erlangung des Vorsteuerabzugs bekannt geworden, bei denen auf der Endstufe wegen Ausführung steuerfreier Umsätze der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist. Es handelt sich insbesondere um sog. Vorschaltmodelle zur Grundstücksvermietung an Banken und Sparkassen, Ärzte sowie Träger von privaten Schulen, Bildungseinrichtungen, Krankenhäusern, Altenheimen und Kindergärten. In diesen Fällen werden Unternehmen gegründet, die ein Gebäude errichten und an die bezeichneten Einrichtungen vermieten. Zur Erlangung des Vorsteuerabzugs wird auf die Steuerbefreiung der Vermietung verzichtet. Zur Vermeidung von erheblichen Steuerausfällen und zur Gleichstellung aller Unternehmer, die wegen der Erzielung steuerfreier Umsätze vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind, wird der Verzicht auf die Steuerbefreiung insbesondere bei der Bestellung und Übertragung von Erbbaurechten und bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken grundsätzlich auf die Fälle beschränkt, in denen der Leistungsempfänger das Grundstück oder Grundstücksteile ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die zum Vorsteuerabzug berechtigen.“

Unionsrechtlich beruhten diese Regelungen im Streitjahr auf Art. 13 Teil C Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG. Danach konnten die Mitgliedstaaten ihren Steuerpflichtigen das Recht einräumen, für eine Besteuerung bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken zu optieren. Sie konnten zudem den Umfang des Optionsrechts einschränken und die Modalitäten seiner Ausübung bestimmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entspricht insbesondere § 9 Abs. 2 UStG den unionsrechtlichen Anforderungen[4].

Verpachtet ein Unternehmer ein Grundstück an einen Landwirt, der seine Umsätze gemäß § 24 Abs. 1 UStG nach Durchschnittssätzen versteuert, kann der Verpächter nicht auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG verzichten[5].

Ob „der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen“, richtet sich danach, ob er bei einem Verzicht aus der bezogenen Leistung zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG berechtigt ist. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang mit § 15 UStG, wie er auch bei § 9 Abs. 1 UStG besteht. § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG ist daher wie § 9 Abs. 1 UStG leistungsbezogen auszulegen.

Pauschallandwirte, die ihre Umsätze nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG versteuern, verwenden das von ihnen gemietete oder gepachtete Grundstück i.S. von § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG für Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen. Dies ergibt sich aus dem Verbot des „weiteren“ Vorsteuerabzugs nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG. Hierdurch schließt das Gesetz einen leistungsbezogenen Vorsteuerabzug aus, wie ihn § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG voraussetzt.

Bestätigt wird dies durch das vom historischen Gesetzgeber mit § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG verfolgte Regelungsziel, Vorschaltmodellen entgegenzuwirken. Ausgangspunkt für diese Vorschaltmodelle ist die -beim unternehmerisch tätigen Mieter oder Pächter- fehlende Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Diese ergibt sich gleichermaßen aus § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG wie auch aus § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG. Dabei verdeutlicht der Streitfall den vom Gesetzgeber missbilligten Vorschaltcharakter in der gleichen Weise wie bei Banken, Sparkassen oder Ärzten. Denn auch hier wird über sog. Vorschaltmodelle -letztlich wie im Streitfall- versucht, die Folgen des Vorsteuerausschlusses nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG zu umgehen. Dass die amtliche Gesetzesbegründung nur Mieter mit steuerfreien Umsätzen ausdrücklich nennt, ist im Hinblick auf das Regelungsziel und die nicht abschließende Aufzählung missbilligter Vorschaltmodelle, wie sie sich aus der Verwendung des Adverbs „insbesondere“ ergibt, nicht maßgeblich.

Hierfür spricht auch der zwischen § 9 UStG und § 15 UStG bestehende Regelungszusammenhang, der dazu führt, die Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung für beide Normbereiche einheitlich zu beurteilen. Daher ist bei Auslegung von § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG auch zu beachten, dass ein Pauschallandwirt mit Umsätzen nach § 24 Abs. 1 UStG aufgrund des Abzugsverbots nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG nicht zum (weiteren) Vorsteuerabzug aus den von ihm bezogenen Leistungen berechtigt ist[6]. Dementsprechend führt ein Wechsel von der allgemeinen Besteuerung zur Besteuerung nach Durchschnittssätzen gemäß § 24 Abs. 1 UStG auch zu einer Vorsteuerberichtigung, wie dies § 15a Abs. 7 UStG ausdrücklich anordnet.

Ohne Bedeutung ist, dass § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG „Vorsteuerbeträge“ festsetzt, die der Höhe nach in den Fällen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 UStG der geschuldeten Steuer entspricht. Denn hierbei handelt es sich nicht um einen Vorsteuerabzug i.S. von § 15 UStG aus konkret bezogenen Leistungen, sondern um eine pauschalierte Form der Steuerberechnung[7].

Die Sache ist gleichwohl nicht spruchreif. Das Finanzgericht hat nicht geprüft, ob und inwieweit die Leistungen nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfrei sind.

§ 4 Nr. 12 UStG befreit die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken. Nicht befreit sind nach Satz 2 der Vorschrift neben der Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen auch die Vermietung und die Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind. Dies beruht unionsrechtlich auf Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG. Danach ist steuerfrei die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken mit Ausnahme der Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen und der Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen.

Zur Frage einer möglichen Steuerpflicht im Hinblick auf das Vorliegen von Betriebsvorrichtungen hat das Finanzgericht keine Feststellungen getroffen. Diese sind im zweiten Rechtsgang nachzuholen. Dabei werden ggf. auch Feststellungen zum Umfang der Betriebsvorrichtungen zu treffen sein, z.B. ob das Stallgebäude von den Betriebsvorrichtungen umfasst wird.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 1. März 2018 – V R 35/17

  1. entgegen Abschn. 9.2 Abs. 2 UStAE[]
  2. Nieuwenhuis in Offerhaus/Söhn/Lange, § 9 UStG Rz 3[]
  3. BT-Drs. 12/5630, S. 87[]
  4. BFH, Urteil vom 24.04.2014 – V R 27/13, BFHE 245, 404, BStBl II 2014, 732, Rz 13[]
  5. zutreffend Nieuwenhuis, a.a.O., § 9 UStG Rz 78; Schüler-Täsch in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 9 Rz 47, und Mehrwertsteuerrecht 2013, 540, 543; Stadie in Stadie, UStG, 3. Aufl., § 9 Rz 28 und § 24 Rz 41; a.M. Abschn.09.2 Abs. 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses -UStAE-, sowie Lange in Offerhaus/Söhn/Lange, § 24 UStG Rz 456, und Widmann in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 9 Rz 171[]
  6. BFH, Urteil vom 16.11.2016 – V R 1/15, BFHE 255, 354, Rz 20, 23 zur Vorsteueraufteilung gemäß § 15 Abs. 4 UStG[]
  7. vgl. hierzu kritisch Klenk in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 24 Rz 46: „Scheinbesteuerung“, und Tehler in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 24 Rz 24: „mittelbare Subventionszahlung des Staates“[]