Die Planbehörde muss bei der Aufstellung eines Bebauungsplans im Rahmen ihrer Abwägung beachten, dass die Bauflächen einander so zugeordnet werden, dass „schädliche Umwelteinwirkungen auf … ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete … so weit wie möglich vermieden werden“ (§ 50 Satz 1 BImSchG).

Das immissionsschutzrechtliche Trennungsgebot gilt auch im Verhältnis von Wohngebieten zu landwirtschaftlichen Nutzflächen; hier darf eine Gemeinde nicht „ohne zwingenden Grund selbst die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Vorbelastungen dadurch schaffen, dass sie in einen durch ein erhöhtes Immissionspotential gekennzeichneten Bereich ein störempfindliches Wohngebiet hineinplant und dadurch aus einem Wohngebiet in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht in Wahrheit ein Dorf- oder Mischgebiet macht“[1].
Eine Zurückstellung immissionsschutzrechtlicher Belange ist nur möglich, wenn die Planung durch entgegenstehende Belange mit hohem Gewicht geboten ist oder wenn die Probleme durch Abstände oder Schutzfestsetzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB) bewältigt werden können[2].
Diese Anforderungen haben in einem Fall, in dem – wie vorliegend – ein Wohngebiet „auf der grünen Wiese“ neu ausgewiesen wird, ein besonderes Gewicht[3]. Wenn und soweit Lärm, Staub oder Geruchsimmissionen in der (zurechenbaren) Umgebung landwirtschaftlicher Nutzung(en) auf ein „heranrückendes“ Wohngebiet in einem erheblichen Maße einwirken können, müssen Möglichkeiten zur Vermeidung der daraus entstehenden Konflikte zwischen störender und der störempfindlicher Nutzung „so weit wie möglich“ genutzt werden, sei es durch Abstände, durch Schutzvorkehrungen auf der Seite des Emittenten oder in anderer Weise.
Im hier entschiedenen Fall hat die Gemeinde die Art des landwirtschaftlichen Betriebes und dessen gegenwärtiger Bestand nur im Sinne einer „Momentaufnahme“ berücksichtigt. Aus dem Umstand, dass dort die Rinderhaltung 1972 und die Schweinehaltung 1995 aufgegeben worden ist, hat sie gefolgert, dass mit einer Wiederaufnahme dieser (emissionsträchtigen) Betriebszweige nicht mehr zu rechnen ist. Weiter hat die Gemeinde bestehende „Rücksichtnahmepflichten“ berücksichtigt, die sich – aus ihrer Sicht – infolge der vorhandenen schutzwürdigen Bebauung in der Umgebung des Hofgrundstücks bzw. auf dem Hofgrundstück selbst ergeben. Die Auswirkungen der im Plangebiet an das Hofgrundstück „heranrückenden“ Wohnbebauung auf die künftige Nutzung und die – zu berücksichtigende – Entwicklung des landwirtschaftlichen Betriebs hat die Gemeinde im Rahmen ihrer Planung jedoch unzureichend ermittelt:
Die planende Gemeinde hat im Zusammenhang mit dem vorbeugenden Immissionsschutz nach § 50 BImSchG nicht (nur) „schädliche“ Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG in die Abwägung einzustellen, sondern (schon) unzumutbar beeinträchtigende Immissionen[4]. Die Abwägungsrelevanz entfällt erst bei objektiv geringfügigen Beeinträchtigungen, die keinen nennenswerten Umfang haben. Das ist – etwa – der Fall, wenn ein Wohngebiet an eine zum Gemüse- und Getreideanbau genutzte Ackerfläche herangeplant wird; eine solche Fläche, auf der nur an wenigen Tagen im Jahr Arbeiten stattfinden und ansonsten Ruhe herrscht, ist wohngebietsverträglich[5]. Allerdings kann sich auch in solchen Fällen – aus besonderen Gründen – Anlass zur Prüfung einer konfliktmindernden Trennung ergeben, wenn im Rahmen einer „normalen Entwicklung“ und bei bei realistischer Betrachtung Belästigungen der geplanten Wohnbebauung zu erwarten sind. Selbst wenn bei der gegenwärtigen landwirtschaftlichen Betriebsweise nicht mit erheblichen Belästigungen zu rechnen ist, gehört das Interesse, die Umgebung eines landwirtschaftlichen Betriebs von Wohnbebauung freizuhalten, zu den Belangen, die bei der Abwägung über einen Bebauungsplan zu berücksichtigen sind[6].
Soweit das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht (schon) in seinem Beschluss vom 14.08.2006[7] entschieden hat, dass die bloße Absicht eines Landwirts zur betrieblichen Weiterentwicklung seines Betriebes nicht abwägungsrelevant ist, wenn diese bislang nur in unklaren bzw. unverbindlichen Absichtserklärungen zum Ausdruck gekommen ist[8], ist daran – im Grundsatz – festzuhalten. Die Aussage bedarf aber im Hinblick auf den vorliegenden Fall einer Differenzierung:
Eine betriebliche Entwicklung ist im Fall des Landwirts im vorliegenden Fall insoweit nicht abwägungsrelevant, als sie auf eine „Reaktivierung“ der seit 1972 bzw.1995 aufgegebenen Rinder- oder Schweinehaltung gerichtet ist. Dazu liegen bis heute nur vage und allenfalls entfernt „umsetzungsreife“ Erklärungen des Landwirts vor. Es kommt hinzu, dass Realisierungschancen in dieser Richtung am jetzigen Standort wegen der entstehenden Geruchsimmissionen schwierig sein dürften.
Anders ist demgegenüber eine „normale“ betriebliche Entwicklung zu beurteilen, die im Rahmen des gegenwärtigen Ackerbaubetriebes bleibt und die bei realistischer Betrachtung noch nahe liegt. Insoweit sind Veränderungen in Betracht zu ziehen, die sich – etwa – durch Abriss und Neubau von älteren Betriebsgebäuden, Anbauten, andere Anlagen, geänderte Betriebsabläufe oder auch (nur) durch eine mögliche [Wieder-] Benutzung der – derzeit „grasbewachsenen“ – Hofzufahrt zur „Langen Reihe“ vollziehen können. Selbst wenn die aus den Annahmen der „Schalltechnischen Stellungnahme“ vom 16.01.2013 abgeleiteten Lärmbelastungen, die unterhalb der (Tag-)Richtwerte der TA Lärm (Nr. 6.1 d) liegen, der planerischen Abwägung zugrunde gelegt worden wären, wäre damit die Abwägung noch nicht „abgearbeitet“, weil weder Besonderheiten (z. B. nach Nr. 6.3 [Satz 2], Nr. 6. 4 [Satz 5] TA Lärm) noch mögliche betriebliche Änderungen bedacht worden sind.
Die möglichen Immissionskonflikte zwischen der im angegriffenen Bebauungsplan zugelassenen Wohnnutzung und der benachbarten Hofstelle hätten – unabhängig von der insoweit unzureichenden Ermittlung – im Rahmen der planerischen Abwägung auch durch die Prüfung von Planungsalternativen oder durch (vorsorgende) Schutzfestsetzungen auf der Seite des Emittenten oder derjenigen der Immissionsbetroffenen bewältigt werden können.
Planungsalternativen hätten – auch – im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses am 29.03.2011 noch bestanden. Zwar war zu diesem Zeitpunkt schon ein Grundstück bebaut, die anderen beiden „Baufenster“ dagegen waren noch ungenutzt. Zu den Planungsalternativen hätte nicht nur die Frage gehört, ob die (seinerzeit noch nicht bebauten) „Bauplätze“ an anderer Stelle hätten ausgewiesen werden können, sondern auch die Möglichkeit einer anderen Anordnung der Baufenster und einer – begrenzten – Abschirmung der Bebauung – etwa – durch Festsetzungen zu Nebenanlagen (z. B. Garagen). Eine weitere – nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung offenbar in der „Frühphase“ des Planaufstellungsverfahrens erwogene, aus den Abwägungsmaterialien und der Planbegründung aber nicht abzulesende – Planungsalternative hätte auch darin bestanden, die Hofstelle des Landwirts in den Plangeltungsbereich einzubeziehen, um einerseits eine betriebliche Entwicklung jedenfalls vis-a-vis zum Wohngebiet zu ordnen und andererseits die heranrückende Wohnbebauung zu schützen. Die Festsetzung der Grenzen eines Plangebiets steht zwar grundsätzlich im Planungsermessen der Gemeinde, jedoch hat dieses Ermessen die Aufgabe der Bauleitplanung zu beachten, eine geordnete städtebauliche Entwicklung der Gemeinde zu gewährleisten (§ 1 Abs. 3 S. 1, Abs. 6 Nr. 1 und Nr. 7 c, e BauGB). Die Einbeziehung bestimmter Flächen in den Geltungsbereich eines Bebauungsplans kann im Interesse einer möglichst wirksamen (vorbeugenden) Konfliktbewältigung geboten sein. In Bezug auf die Hofstelle des Landwirts ergäben sich durch deren Einbeziehung in den Plangeltungsbereich weitere – dauerhafte – Möglichkeiten zur Konfliktlösung, die z. B. durch Festsetzungen zur Nutzung der Grundstücksflächen an der Straße „Lange Reihe“ – gegenüber dem Wohngebiet – hätten bestehen können[9].
Die planerische Abwägung der Gemeinde hätte – außerdem – auch die Möglichkeit von Schutzfestsetzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB) behandeln müssen. Diese Frage kann nicht ohne weiteres dem Planvollzug überlassen werden. Die Lösung planbedingter Interessenkonflikte soll in erster Linie durch konfliktlösende Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB erfolgen. Unterbleibt dies, muss die Konfliktlösung im Planvollzug – also im Verfahren der Zulassung der im Bebauungsplan zugelassenen Vorhaben – möglich sein. Im vorliegenden Fall ist dies – zumindest – zweifelhaft, weil das Zulassungsverfahren (stark) vereinfacht ist (§ 68 Abs. 3, 5 LBO SH). Zur Frage, ob Schutzfestsetzungen im o. g. Sinne in Betracht kommen, finden sich in den Abwägungs- und Planbegründungstexten keinerlei Erwägungen.
Schleswig -Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 28. Mai 2014 – 1 KN 3712
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.06.2006, 4 BN 17.06, BRS 70 Nr. 15 [bei Juris Rn. 5][↩]
- vgl. Jarass, BImSchG, Kommentar [2012], § 50 Rn. 24-25 m. w. N.[↩]
- vgl. OVG S-H, Beschluss vom 09.11.2011, 1 MR 5/11; Nds. OVG, Urteil vom 25.06.2001, 1 K 1850/00, NVwZ-RR 2002, 172[↩]
- vgl. BVerwG, Beschl. vom 08.06.2004, 4 BN 19.04, BRS 67 Nr.19 [Juris, Rn. 6]; zum Verkehrslärm[↩]
- vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.03.2011, 7 D 29/10.NE, Juris Rn. 84, 85[↩]
- vgl. dazu OVG Berlin-Brb., Urteil vom 14.02.2006, 2 A 16.06. BRS 70 Nr, 14 [bei Juris Rn. 51][↩]
- OVG S-H, Beschluss vom 14.08.2006 – 1 MR 5/06, NordÖR 2006, 359[↩]
- vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 14.07.2010, 2 B 637/10.NE, Juris[↩]
- vgl. BayVGH, Beschluss vom 14.12.2009, 1 NE 09.2377, Juris [Rn. 46 f.][↩]