Verkauf von Anteilen an Sportpferden

Die Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Sportpferd unterliegt nicht dem ermäßigten (7%), sondern dem regulären (19%) Umsatzsteuersatz.

Verkauf von Anteilen an Sportpferden

Nach § 12 Abs. 1 UStG betrug die Steuer für jeden steuerpflichtigen Umsatz im Jahr 2006 16 % und in den Jahren ab 2007 19 % der Bemessungsgrundlage (allgemeiner Steuersatz). Die Steuer ermäßigte sich gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Anlage 2 Nr. 1 Buchst. a zum UStG a.F. auf 7 % für die Lieferung, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von lebenden Pferden einschließlich reinrassiger Zuchttiere, ausgenommen Wildpferde.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift -die mit Wirkung vom 01.07.2012 aufgehoben wurde[1]– war der ermäßigte Umsatzsteuersatz auch auf die Lieferung von Sportpferden anzuwenden. Denn die betreffende nationale Regelung sah für Umsätze mit bestimmten lebenden Tieren einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz unabhängig davon vor, für welche Verwendung diese Tiere bestimmt waren[2].

Gemessen am Unionsrecht war das nationale Recht in Bezug auf die Lieferung von Sportpferden jedoch zu weit[3].

Die Lieferung von Sportpferden unterliegt nach dem Unionsrecht nicht dem ermäßigten Steuersatz, sondern dem Regelsteuersatz.

Die Mitgliedstaaten sind zwar berechtigt gemäß Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III Nr. 1 der MwStSystRL -vormals Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG- einen ermäßigten Steuersatz für die Lieferung lebender Tiere einzuführen. Anhang III Nr. 1 der MwStSystRL gestattet die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes jedoch nur für lebende Tiere, die üblicherweise dafür bestimmt sind, für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendet zu werden.

Der Zweck dieser Bestimmung besteht darin, dem Endverbraucher den Kauf dieser Nahrungs- und Futtermittel zu erleichtern[4]. Der Unionsgesetzgeber stellt insoweit auf Tiere ab, die gewöhnlich und allgemein dafür bestimmt sind, in die menschliche oder tierische Nahrungskette zu gelangen. Das gilt insbesondere für Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen. Daher kann auf sämtliche Lieferungen von Tieren dieser Arten ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz angewandt werden, ohne dass dies für jedes einzelne Tier geprüft werden muss[5].

Bei Pferden ist die Situation in der Europäischen Union anders als bei den vorgenannten Arten. Pferde sind nicht gewöhnlich und allgemein dafür bestimmt, für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendet zu werden, auch wenn einige von ihnen tatsächlich als Nahrungs- und Futtermittel dienen[6]. In Anbetracht dieser besonderen Situation von Pferden, die zwar üblicherweise nicht dafür bestimmt sind, für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendet zu werden, von denen aber gleichwohl manche für den Verzehr geliefert werden können, ist Anhang III Nr. 1 der MwStSystRL im Licht des vom Unionsgesetzgeber verfolgten Zwecks, die grundlegenden Güter für den Endverbraucher zu verbilligen, dahin auszulegen, dass auf die Lieferung eines Pferdes nur dann ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz angewandt werden kann, wenn das Pferd im Hinblick auf seine Schlachtung geliefert wird, um für die Zubereitung von Nahrungs- oder Futtermitteln verwendet zu werden[7].

Auf die Lieferung von Sportpferden -wie hier- trifft dies jedoch nicht zu. Denn diese werden nicht im Hinblick auf ihre Schlachtung geliefert, um für die Zubereitung von Nahrungs- oder Futtermitteln verwendet zu werden[8].

Danach ist § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Anlage 2 Nr. 1 Buchst. a zum UStG a.F. richtlinienkonform dahin auszulegen, dass ein Pferd im Sinne dieser Vorschrift nur ein lebendes Tier ist, das gewöhnlich und allgemein für die Zubereitung von Nahrungs- oder Futtermitteln bestimmt ist.

Mit dieser Gesetzesauslegung überschreitet der Bundesfinanzhof die nach eigener Einschätzung ihm zustehenden Befugnisse nicht.

Die Rechtsprechung ist sowohl nach nationalem[9] als auch nach Unionsrecht[10] verpflichtet, den Sinn und Zweck einer Norm unter Berücksichtigung ihrer Einordnung in das Gesetz und damit ihres systematisch-teleologischen Zusammenhangs zu ermitteln. Ein Gericht hat sich bei der Auslegung des nationalen Umsatzsteuerrechts so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der einschlägigen unionsrechtlichen Bestimmungen auszurichten[11] und ist bei einem Widerspruch zwischen den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts und den Bestimmungen des Unionsrechts gehalten, für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts Sorge zu tragen. Es ist alles Erforderliche zu tun, um diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften „auszuschalten“, die unter Umständen ein Hindernis für die volle Wirksamkeit der Unionsnormen bilden[12].

Die hiernach gebotene richtlinienkonforme Auslegung kommt jedoch nur in Betracht, wenn es im konkreten Fall verschiedene Auslegungsmöglichkeiten gibt[13]. Lässt der Gesetzestext mehrere Auslegungen zu und ist nur eine mit dem Unionsrecht vereinbar, so ist der Auslegung der Vorzug zu geben, nach der die Norm nicht als unionsrechtswidrig einzustufen ist[14]. Das ist hier der Fall.

Es bestehen daher keine Bedenken, § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Anlage 2 Nr. 1 Buchst. a zum UStG a.F., der nach seinem Wortlaut sowohl Sportpferde als auch solche Pferde erfasst, die gewöhnlich und allgemein für die Zubereitung von Nahrungs- oder Futtermitteln bestimmt sind, und daher grundsätzlich auslegungsfähig ist, dahingehend einschränkend auszulegen, dass ein Pferd im Sinne dieser Vorschrift nur ein zur Schlachtung bestimmtes Tier ist. Allein die richtlinienkonforme Auslegung im vorgenannten Sinne, die weder über Wortlaut noch Wortsinn des Gesetzestextes hinausgeht[15], führt dazu, dass die betreffende nationale Norm als unionsrechtskonform einzustufen ist.

Der Bundesfinanzhof weicht hierdurch nicht entscheidungserheblich von seinem Urteil in BFHE 243, 456, MwStR 2014, 166 ab, denn auch dort ist der Bundesfinanzhof im Ergebnis davon ausgegangen, dass auf die Lieferung von Springpferden der Regelsteuersatz anwendbar ist.

Die streitigen Veräußerungsumsätze sind demnach selbst dann nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Anlage 2 Nr. 1 Buchst. a zum UStG a.F. ermäßigt zu besteuern, wenn der Züchter insoweit Lieferungen erbracht hätte. Denn die Lieferung von Pferden -wie hier- für Sport- oder Freizeitzwecke unterfällt bei richtlinienkonformer Auslegung der vorgenannten Steuerermäßigungsvorschrift jedenfalls nicht dem ermäßigten Steuersatz.

Es bedarf im Streitfall mithin keiner Entscheidung darüber, ob mit der Übertragung eines Miteigentumsanteils -wie das Finanzgericht angenommen hat und was zwischen den Beteiligten streitig ist- eine Lieferung i.S. von § 3 Abs. 1 UStG ausgeführt[16] oder eine sonstige Leistung i.S. von § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG erbracht wird[17].

Bundesfinanzhof, Urteil vom 2. Juli 2014 – XI R 4/13

  1. vgl. Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes und von steuerlichen Vorschriften vom 08.05.2012, BGBl I 2012, 1030[]
  2. vgl. dazu EuGH, Urteil vom 12.05.2011 – C-453/09 -Kommission/Deutschland-, UR 2011, 827, DB 2011, 1202, Rz 12[]
  3. vgl. dazu EuGH, Urteil -Kommission/Deutschland-, in UR 2011, 827, DB 2011, 1202, Rz 44 ff.; BFH, Urteil vom 24.10.2013 – V R 17/13, BFHE 243, 456, MwStR 2014, 166, Rz 15 ff.[]
  4. vgl. EuGH, Urteil -Kommission/Deutschland-, UR 2011, 827, DB 2011, 1202, Rz 44[]
  5. vgl. EuGH, Urteil -Kommission/Deutschland-, UR 2011, 827, DB 2011, 1202, Rz 45[]
  6. vgl. EuGH, Urteil -Kommission/Deutschland-, UR 2011, 827, DB 2011, 1202, Rz 46[]
  7. vgl. EuGH, Urteil -Kommission/Deutschland-, UR 2011, 827, DB 2011, 1202, Rz 47[]
  8. vgl. zu Springpferden BFH, Urteil in BFHE 243, 456, MwStR 2014, 166, Rz 17[]
  9. vgl. z.B. BFH, Urteile vom 15.04.2010 – IV R 5/08, BFHE 229, 524, BStBl II 2010, 912, Rz 30; vom 08.09.2010 – XI R 40/08, BFHE 231, 343, BStBl II 2011, 661, Rz 25, jeweils m.w.N.[]
  10. vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 27.11.2003 – C-497/01 -Zita Modes-, Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 34, m.w.N.[]
  11. vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 11.07.2002 – C-62/00 -Marks & Spencer-, Slg. 2002, I-6325, UR 2002, 436, Rz 24, m.w.N.; ferner BFH, Urteile in BFHE 231, 343, BStBl II 2011, 661, Rz 25; vom 29.06.2011 – XI R 15/10, BFHE 233, 470, BStBl II 2011, 839, Rz 22; vom 15.02.2012 – XI R 24/09, BFHE 236, 267, BStBl II 2013, 712, Rz 17; vom 16.05.2012 – XI R 24/10, BFHE 238, 468, BStBl II 2013, 52, Rz 41, jeweils m.w.N.[]
  12. vgl. dazu EuGH, Urteil vom 26.02.2013 – C-617/10 -Fransson-, Neue Juristische Wochenschrift 2013, 1415, Rz 45 f.; ferner BFH, Urteil in BFHE 243, 456, MwStR 2014, 166, Rz 13, jeweils m.w.N.[]
  13. vgl. z.B. BFH, Urteile vom 02.04.1998 – V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, unter II. 3.b; vom 22.01.2004 – V R 41/02, BFHE 204, 371, BStBl II 2004, 757, unter II. 1.; in BFHE 236, 267, BStBl II 2013, 712, Rz 18, jeweils m.w.N.[]
  14. vgl. z.B. BFH, Urteile in BFHE 231, 343, BStBl II 2011, 661, unter II. 4.; in BFHE 233, 470, BStBl II 2011, 839, unter II. 2.; in BFHE 236, 267, BStBl II 2013, 712, Rz 18, jeweils m.w.N.[]
  15. vgl. zu den Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung auch BFH, Urteil in BFHE 236, 267, BStBl II 2013, 712, Rz 19[]
  16. vgl. zu Grundstücken Lippross, Umsatzsteuer, 23. Aufl., S. 160; Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 48[]
  17. vgl. dazu BFH, Urteile vom 22.06.1967 – V 185/63, BFHE 89, 366, BStBl III 1967, 662; vom 18.01.1968 – V 28/65, BFHE 91, 502, DB 1968, 966; vom 20.06.1968 – V 116/65, BFHE 93, 291, BStBl II 1968, 788; vom 27.04.1994 – XI R 91-92/92, BFHE 174, 559, BStBl II 1994, 826, unter II. 1.; Abschn. 3. 5. Abs. 3 Nr. 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; offen gelassen in den BFH, Urteilen in BFHE 217, 338, BStBl II 2008, 65; in BFHE 219, 442, BStBl II 2008, 448[]