Das Gericht der Europäischen Union hat die Entscheidung der EU-Kommission bestätigt, in der diese die von Frankreich von 1992 bis 2002 zugunsten des Sektors Obst und Gemüse durchgeführten „Krisenpläne“ (Plans de campagne) als verbotene staatliche Beihilfen qualifiziert hat. Dieser Qualifikation als staatliche Beihilfen steht nicht entgegen, dass die Beihilfen durch freiwillige Beiträge der Verbände der betreffenden Erzeuger kofinanziert wurden. Das Europäische Gericht hat damit ein französisches System “beerdigt”, dass mit den deutschen Absatzförderfonds (CMA, Absatzfonds der Holzwirtschaft pp.) vergleichbar ist.

Die französischen Organisationen von Obst- und Gemüseerzeugern erhielten von 1992 bis 2002 Beihilfen aus einem Betriebsfonds in einer von der Kommission auf über 330 Mio. Euro geschätzten Höhe. Mit diesen „Krisenplänen“ (Plans de campagne) wurde bezweckt, die Auswirkungen zeitweiliger Überschüsse beim Obst- und Gemüseangebot abzumildern, die Marktpreise durch koordiniertes kollektives Vorgehen zu regulieren und Strukturmaßnahmen zur Marktanpassung eines Sektors zu finanzieren. Der Fonds wurde von zugelassenen landwirtschaftlichen Ausschüssen (Comités économiques agricoles agréés) verwaltet, in denen die landwirtschaftlichen Erzeugerorganisationen auf regionaler Ebene zusammengeschlossen sind. Er wurde zu 30 % bis 50 % aus freiwilligen Beiträgen der Erzeuger gespeist. Diejenigen Erzeuger, die diese Beiträge nicht entrichtet hatten, konnten keine Beihilfe erhalten. Der Fonds wurde im Übrigen finanziert durch das Nationale Amt für Obst, Gemüse und Gartenbau (Office national interprofessionnel des fruits, des légumes et de l’horticulture; Oniflhor), einer unter Aufsicht des französischen Staats stehenden öffentlichen Einrichtung mit Industrie- und Handelscharakter.
Mit Entscheidung vom 28. Januar 2009
Im Januar 2009 stellte die Kommission fest, dass die fraglichen Beihilfen rechtswidrige – weil bei der Kommission nicht angemeldete – staatliche Beihilfen darstellten, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar seien. Sie ordnete daher an, dass Frankreich sie bei ihren Empfängern zuzüglich Zinsen zurückfordern müsse. Die Kommission hatte dabei erstmals die Frage zu prüfen, ob Maßnahmen, die durch Beiträge des Staates und zugleich durch freiwillige Beiträge von Angehörigen der Berufe eines Sektors finanziert werden, staatliche Beihilfen sein können, was sie bejahte.
Sowohl Frankreich als auch der Verband der Wirtschaftsorganisation Obst und Gemüse (Fédération de l’organisation économique fruits et légumes; Fedecom) und die Gemüseerzeuger Frankreichs (Producteurs de légumes de France) erhoben beim Gericht Klagen auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung.
Eine solche Nichtigkeitsklage dient dazu, unionsrechtswidrige Handlungen der Unionsorgane für nichtig erklären zu lassen. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen von Mitgliedstaaten, Organen der Union oder Einzelnen beim Gerichtshof oder beim Gericht erhoben werden. Ist die Klage begründet, wird die Handlung für nichtig erklärt. Das betreffende Organ hat eine durch die Nichtigerklärung der Handlung etwa entstehende Regelungslücke zu schließen.
Mit seinen jetzt verkündeten Urteilen hat das Gericht der Europäischen Union diese Klagen abgewiesen:
Zu der Frage, ob die in Rede stehenden Beihilfen trotz ihrer teilweisen Finanzierung durch freiwillige Beiträge der Beihilfeempfänger als staatliche Mittel und damit als staatliche Beihilfen angesehen werden können, führt das Gericht der Europäischen Union aus, es komme nicht auf die ursprüngliche Herkunft der Mittel an, sondern auf den Umfang der Beteiligung der öffentlichen Stellen bei der Festlegung der streitigen Maßnahmen und ihrer Finanzierungsmodalitäten.
Insoweit stellt das Gericht der Europäischen Union fest, dass es die unter staatlicher Aufsicht stehende öffentliche Einrichtung Oniflhor war, die einseitig über die durch die „Krisenpläne“ finanzierten Maßnahmen sowie deren Durchführungs- und Finanzierungsmodalitäten entschied. Zwar hatten die zugelassenen landwirtschaftlichen Ausschüsse die operativen Mittel für die Finanzierung dieser Maßnahmen zu verwalten, jedoch verfügten sie über keinen Handlungsspielraum bei deren Anwendung. In diesem Zusammenhang hebt das Gericht insbesondere die maßgebliche Rolle des Staates in diesen Ausschüssen hervor, in denen er durch den Präfekten der Region vertreten wird. Den durch die Maßnahmen Begünstigten stand allein die Befugnis zu, sich an dem in dieser Weise von Oniflhor festgelegten System zu beteiligen oder nicht, indem sie die Zahlung der von Oniflhor festgesetzten Sektoranteile entweder akzeptierten oder ablehnten. Die Kommission hat daher zu Recht die Auffassung vertreten, dass die streitigen Maßnahmen staatliche Beihilfen darstellten.
Im Übrigen verwirft das Gericht der Europäischen Union das Vorbringen der Kläger, die Kommission habe ihre Entscheidung unzureichend begründet und den Grundsatz des berechtigten Vertrauens der Beihilfeempfänger verletzt, soweit diese die Beihilfen für mit dem Unionsrecht vereinbar gehalten hätten. Hinsichtlich des letztgenannten Arguments verweist das Gericht darauf, dass ein Vertrauen dann nicht als berechtigt angesehen werden kann, wenn die Beihilfe, wie hier, durchgeführt wurde, ohne dass sie zuvor bei der Kommission angemeldet worden war. Das Gericht stellt weiter fest, dass keine außergewöhnlichen Umstände vorgelegen haben, die ein berechtigtes Vertrauen der Empfänger in die Rechtmäßigkeit der Beihilfen trotz fehlender Anmeldung hätten begründen können.
Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Gegen die Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof der Europäischen Union eingelegt werden.
Gericht der Europäischen Union, Urteile vom 27. September 2012 – T-139/09, T-243/09 und T-328/09 [Frankreich, Fédération de l’organisation économique fruits et légumes (Fedecom) und Producteurs de légumes de France / Kommission]