Rübenlieferungsrechte und die Verpachtung von Ackerland

Hat der Verpächter dem Pächter von rübenanbaufähigem Ackerland keine Rübenlieferrechte übertragen, so steht ihm bei Beendigung des Vertrages – vorbehaltlich anderweitiger Regelungen im Vertrag – kein Anspruch nach § 596 Abs. 1 BGB auf Übertragung von Lieferrechten zu, die der Pächter von Dritten erworben oder von der Zuckerfabrik zugeteilt erhalten hat.

Rübenlieferungsrechte und die Verpachtung von Ackerland

Mangels vertraglicher Abreden kommt für einen Anspruch auf Übertragung von Lieferrechten nur § 596 Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht. Danach ist der Pächter verpflichtet, die Pachtsache nach Beendigung des Pachtverhältnisses in dem Zustand zurückzugeben, der einer bis zur Rückgabe fortgesetzten ordnungsgemäßen Bewirtschaftung entspricht. Dazu gehören nicht die Lieferrechte.

Der Bundesgerichtshof hat allerdings für Landpachtverträge über zum Zuckerrübenanbau geeignete Flächen entschieden, dass die Erhaltung und die Ausnutzung von betriebsbezogenen Lieferrechten Bestandteil einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen zum Rübenanbau ist. Der Pächter, der auch die nachhaltige Ertragsfähigkeit des Pachtlandes sicherzustellen hat, muss sich um die Zuteilung der dafür erforderlichen Lieferrechte bemühen. Die Vorteile aus den zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der verpachteten Flächen erforderlichen Lieferrechten verbleiben dem Pächter nur für die Dauer der Pacht; nach deren Beendigung stehen sie wieder dem Verpächter zu.

Das gilt indes nicht für die Verhältnisse der hier geltenden Zuckermarktordnung.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Lieferrechte einen Bezug zu einer konkreten Rübenanbaufläche haben. Die Rückgabepflicht nach § 596 Abs. 1 BGB ist nicht auf Lieferrechte beschränkt, die an bestimmte (nämlich die gepachteten) Flächen gebunden sind.

Maßgeblich ist vielmehr, dass die Pachtsache so zurückzugeben ist, dass dem Verpächter nach dem Ende der Pachtzeit (wieder) die Vorteile zustehen, die der Gebrauch der Pachtsache gewährt. Entscheidend ist somit, ob die mit dem Lieferrecht verbundene subventionsähnliche Bevorzugung zu den Vorteilen aus der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Pachtsache gehört. Diese Bevorzugung besteht in der Befugnis des mit Lieferrechten ausgestatteten Erzeugers von Zuckerrüben, eine bestimmte Menge zu einem garantierten Preis beim Zuckerunternehmen anliefern zu können. Nur auf Grund eines das Lieferrecht gewährenden Vertrags sind die Zuckerhersteller verpflichtet, Zuckerrüben im Umfang der zugeteilten Quote zu dem durch eine Verordnung des Rates der Europäischen Union festgelegten Mindestpreis anzukaufen (derzeit nach Art. 5 bis 11 und der Anlage II der Verordnung [EG] Nr. 318/2006).

In dieser Bevorzugung ist deswegen kein herauszugebender Vorteil zu sehen, weil die ordnungsmäßige Bewirtschaftung der von der Beklagten gepachteten Flächen weder den Anbau von Zuckerrüben noch den Erwerb von Lieferrechten zur Sicherung einer nachhaltigen Ertragsfähigkeit erfordert.

Was einer fortgesetzten ordnungsgemäßen Bewirtschaftung entspricht, bestimmt sich nach dem Pachtvertrag und dem die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen maßgeblich bestimmenden Subventionsrecht. Der Pachtvertrag enthält keine Bestimmungen zur Art der Bewirtschaftung. Die Flächen sind als Ackerland bezeichnet und als solche verpachtet worden. Die für die Erzeugung von Zuckerrüben schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erforderlichen Lieferrechte sind der Beklagten von der Klägerin nicht überlassen worden.

Allein aus dem Umstand, dass es sich bei der Pachtsache um zum Rübenanbau geeignetes Ackerland handelt, folgt nicht, dass nur der Anbau von Zuckerrüben unter Ausnutzung von Rübenlieferrechten einer fortgesetzten ordnungsgemäßen Bewirtschaftung entspricht. Insofern ist zu berücksichtigen, dass sich das für den Zuckerrübenanbau einschlägige Agrarsubventionsrecht mit der Reform der Zuckermarktordnung durch die Verordnung (EG) Nr. 318/2006 wesentlich verändert hat. Diese Änderung wirkt sich auf die Grundlagen der bisherigen Rechtsprechung zu den Bewirtschaftungspflichten des Pächter rübenanbaufähigen Ackerlands und der daraus folgenden Verpflichtung, nach dem Ende der Pachtzeit Lieferrechte zu übertragen, aus.

Nach der bis zum Wirtschaftsjahr 2005/2006 geltenden Zuckermarktordnung wurde der Ertrag des rübenanbaufähigen Ackerlands durch die (zuletzt in Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1260/2001) festgesetzten Mindestpreise (Stützpreise) bestimmt, durch die die Beschäftigungslage und der Lebensstandard der Zuckerrübenerzeuger durch einen garantierten Erlös gesichert werden sollten. Auf der Grundlage der garantierten Preise war der Anbau von Zuckerrüben auf dem dafür geeigneten Ackerland eine – auch im Vergleich zur Erzeugung anderer Produkte – ertragreiche Bewirtschaftung. Die nachhaltige Ertragsfähigkeit rübenanbaufähigen Ackerlands war unter den Rahmenbedingungen des damaligen Subventionsrechts nur durch den Erwerb und durch die Ausnutzung von Lieferrechten gesichert.

Das hat sich mit der Reform der Zuckermarktordnung geändert, die ein Bündel von Maßnahmen zur Verringerung der Zuckerproduktion enthielt. Die garantierten Mindestpreise für die sog. Quotenzuckerrüben wurden stufenweise um 39,7 % von 32,86 €/t auf 26,29 €/t zwischen 2006/07 bis 2009/10 abgesenkt (Art. 5 der Verordnung [EG] 318/2006). Die dadurch eingetretenen Einkommensverluste der Erzeuger sind teilweise durch die Erhöhung der von einer Produktion unabhängigen Betriebsprämie kompensiert worden (Art. 1 der Verordnung [EG] Nr. 319/2006, die in Deutschland mit der Einführung eines betriebsindividuellen Zuckergrundbetrags nach § 5a BetrPrämDurchfG umgesetzt wurde). Darüber hinaus wurden die Quoten – zunächst durch Anreize für einen freiwilligen frühen Verzicht auf die Erzeugung von Quotenzucker – durch degressiv gestaffelte Umstrukturierungsbeihilfen gesenkt (Art. 3 der nach der Verordnung [EG] Nr. 320/2006 und Art. 4a der Verordnung [EG] des Rates vom 09.10.2007 zur Änderung der Verordnung [EG] Nr. 320/2006 mit einer befristeten Umstrukturierungsregelung für die Zuckerindustrie in der Gemeinschaft).

Nach den durch die Zuckermarktreform veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Zuckerproduktion ist die Erzeugung von Zuckerrüben auf rübenanbaufähigen Ackerflächen in vielen Fällen nicht mehr die im Vergleich zur Erzeugung anderer Feldfrüchte (Getreide und Ölsaaten) wirtschaftlich ertragreichere Produktion; sie kann infolge der Verringerung der Quoten auch nicht mehr in bisherigem Umfang auf den zum Zuckerrübenanbau geeigneten Flächen ausgeübt werden. Angesichts dieser allgemein zugänglichen Fakten, die der Bundesgerichtshof, zumal gestützt auf die Sachkunde der ehrenamtlichen Beisitzer, zugrunde legen kann, ist die in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof aufgestellte Behauptung der Revision, Zuckerrübenanbau sei nach wie vor die ertragreichste Anbauvariante, unbeachtlich. Der Bezug und die Ausnutzung von Zuckerrübenlieferrechten durch den Pächter sind vielmehr vor dem Hintergrund der Reform der Zuckermarktordnung durch die Absenkung der Mindestpreise, die Gewährung einer Einkommensbeihilfe durch einen Zuckergrundbetrag und die befristete Zahlung von Umstrukturierungsbeihilfen für die Aufgabe von Produktionsquoten nicht mehr ohne Weiteres als Bestandteil einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung zur Sicherstellung einer nachhaltigen Ertragsfähigkeit des gepachteten zuckerrübenanbaufähigen Ackerlands anzusehen. Ist in einem Pachtvertrag über rübenfähiges Ackerland zu den Lieferrechten und zur Bewirtschaftung der Pachtsache nichts vereinbart, steht dem Verpächter, wenn er die für einen Zuckerrübenanbau bei Vertragsschluss erforderlichen Lieferrechte dem Pächter nicht überlassen hat, ein Anspruch auf Übertragung der dem Pächter von der Zuckerfabrik zugeteilten oder von diesem von Dritten erworbenen Lieferrechte nach § 596 Abs. 1 BGB nicht zu.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. November 2011 – LwZR 4/11