Das einmal im Jahr erfolgende Schneiden von Schilf ist keine ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bodennutzung im Sinne der Privilegierungsvorschrift des § 44 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG.

Dies entschied jetzt das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in einem Verfahren, in dem der Kläger die Feststellung der Zulässigkeit der “Reithmahd” auf den in seinem Eigentum stehenden Flächen, hilfsweise auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung oder Befreiung für die “Reithmahd” begehrt.
Hintergrund dieses Rechtsstreits war, dass gestützt auf die Brutvogelerfassungen für die Jahre 2004, 2007 und 2009 festgestellt worden war, dass sich Fortpflanzungs- und Ruhestätten besonders geschützter Vogelarten im Sinne des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatschG (a.F.) auf den Flächen des Klägers befinden. Es seien nämlich Reviere von Blaukehlchen und insbesondere Schilfrohrsängern auf den im Eigentum des Klägers stehenden Flächen im Altschilf festgestellt worden. In unmittelbarer Nähe dieser Revierstandorte befänden sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch (schwer zu findende) Nester, deren genaue Lage jedoch wegen des Verhaltens der Vögel wechsele. Es handele sich deshalb bei den auf den Flächen des Klägers vorhandenen Altschilfbereichen um Fortpflanzungs- und Ruhestätten besonders geschützter Vogelarten im Sinne des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatschG (in der bis zum 28.2.2010 gültigen Fassung; entspricht § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatschG in der ab dem 1. März 2010 gültigen Fassung).
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht lässt jedoch den Einwand des Klägers, die “Reithmahd” sei eine ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bodennutzung und deshalb gemäß § 42 Abs. 4 BNatSchG (a. F.) von den Verboten des § 42 Abs. 1 BNatSchG (a. F.) ausgenommen, nicht gelten. Denn bei dem Schneiden des Schilfs und den damit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten des Klägers handelt es sich nicht um eine landwirtschaftliche Bodennutzung im Sinne des § 42 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG a. F. / § 44 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG n. F.. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts setzt eine ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bodennutzung im Sinne dieser naturschutzrechtlichen Privilegierung eine planmäßige eigenverantwortliche Bewirtschaftung und Bearbeitung des Bodens zum Zwecke der Nutzung seines Ertrags voraus. Das einmal im Jahr stattfindende Reithschneiden fällt nicht darunter, weil es an der danach erforderlichen Bestellung, Bearbeitung oder Pflege des Bodens fehlt. Insofern ist es unerheblich, ob die Schilfflächen hier das Ergebnis von historischen Deichbrüchen sind, in deren Folge sich an den so entstandenen Wasserflächen und Gräben Schilf angesiedelt hat, oder ob die Gräben im Wesentlichen künstlich angelegt worden sind, wie dies der Kläger annimmt, da das Schneiden des Schilfs, das an diesen Gräben wächst, jedenfalls keine landwirtschaftliche Bodennutzung darstellt.
Die von dem Kläger im Einzelnen beschriebenen Maßnahmen – Herrichtung, Profilierung und Entschlammung der Gräben, Verteilung des Schlamms auf den seitlichen Flächen, Regulierung der Wasserstände, Errichten von Zäunen, Anpflanzen von Kopfweiden und die Anforderungen an eine kunstgerechte “Reithmahd” – mögen neben anderen (teilweise im Vordergrund stehenden) Zwecken (Instandhaltung / Regulierung des Be- und Entwässerungssystems, Viehwirtschaft) auch einem optimalen Ertrag beim jährlichen Reithschneiden förderlich sein. Auch mag es zutreffen, dass die mit Schilf bestandenen Flächen auch anders genutzt werden könnten bzw. bei einer anderen Profilierung der Ufer der Gräben dort kein Schilf (in diesem Umfang) wachsen könnte. All dies ändert jedoch nichts daran, dass sämtliche von dem Kläger beschriebenen Maßnahmen keine planmäßige Bestellung, Bewirtschaftung und Bearbeitung des Bodens beinhalten bzw. darstellen, wie dies für die übliche und herkömmliche Landwirtschaft charakteristisch ist, die allein gemäß § 42 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG a. F. / § 44 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG n. F. als landwirtschaftliche Bodennutzung von den naturschutzrechtlichen Verboten ausgenommen sein soll.
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 30. März 2011 – 4 LA 24/10