Gewinne aus Entschädigungen, die für die Zerstörung eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens durch höhere Gewalt (hier: durch eine Brandversicherung) geleistet werden, sind als Sondergewinne gemäß § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 EStG in den Durchschnittssatzgewinn gemäß § 13a Abs. 3 EStG einzubeziehen.

Die Versicherungsentschädigung ist nicht mit dem Grundbetrag gemäß § 13a Abs. 4 EStG abgegolten und als Sondergewinn gemäß § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 EStG in den Durchschnittssatzgewinn gemäß § 13a Abs. 3 EStG einzubeziehen.
Versicherungsleistung als Sondergewinn[↑]
Gewinne aus Entschädigungen, die für die Zerstörung eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens durch höhere Gewalt geleistet werden, sind als Sondergewinne gemäß § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 EStG in den Durchschnittssatzgewinn gemäß § 13a Abs. 3 EStG einzubeziehen.
Gemäß § 13a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 EStG sind die nach Abs. 6 gesondert zu ermittelnden Gewinne Bestandteil des Durchschnittssatzgewinns. Gemäß § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 EStG sind Gewinne aus der Auflösung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung in den Durchschnittssatzgewinn gemäß § 13a Abs. 3 EStG einzubeziehen. Daraus folgt zugleich, dass unter diesen Tatbestand auch die Gewinne zu subsumieren sind, die aus der Entschädigung für die Zerstörung eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens durch höhere Gewalt entstehen und die nicht in eine Rücklage für Ersatzbeschaffung eingestellt werden.
Maßgebend für die Interpretation eines Gesetzes ist der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers[1]. Der Feststellung des zum Ausdruck gekommenen objektivierten Willens des Gesetzgebers dienen die Auslegung aus dem Wortlaut der Norm (grammatikalische Auslegung), aus dem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung); zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich der Richter dieser verschiedenen Auslegungsmethoden gleichzeitig und nebeneinander bedienen[2]. Ziel jeder Auslegung ist die Feststellung des Inhalts einer Norm, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist[3].
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 EStG dahin auszulegen, dass der durch das Ausscheiden eines Wirtschaftsguts, hier eines Gebäudes, infolge höherer Gewalt entstandene Gewinn in den Durchschnittssatzgewinn einzubeziehen ist[4].
Gemäß § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 EStG ist ein Gewinn aus der Auflösung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung in den Durchschnittssatzgewinn einzubeziehen.
Mit den von der Rechtsprechung entwickelten und von der Finanzverwaltung in R 35 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) a.F. (jetzt R 6.6 EStR) übernommenen Grundsätzen zur sog. Rücklage für Ersatzbeschaffung kann eine Gewinnrealisierung durch Aufdeckung stiller Reserven vermieden werden, wenn ein Wirtschaftsgut aufgrund höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen eine Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet und alsbald ein funktionsgleiches Ersatzwirtschaftsgut angeschafft wird[5]. Die Verschiebung der Gewinnrealisierung durch Bildung einer Rücklage ist nicht auf die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich beschränkt. In sinngemäßer Anwendung dieses Rechtsinstituts kann eine Gewinnverschiebung auch bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung und, wie sich schon aus der Regelung in § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 EStG ergibt, bei der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen jeweils auf entsprechenden Antrag gewährt werden[6]. Die Bildung der Rücklage bewirkt, dass der durch die Ersatzforderung bzw. Ersatzleistung realisierte Gewinn neutralisiert wird[7].
Dass der Gewinn aus der Auflösung der Rücklage durch § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 EStG in den Durchschnittssatzgewinn einbezogen wird, lässt nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber grundsätzlich auch den Gewinn, der durch die Bildung der Rücklage zunächst der Versteuerung im Jahr seiner Entstehung entzogen worden ist, in den Durchschnittssatzgewinn einbeziehen wollte. Anderenfalls würde die gesetzliche Regelung de facto leerlaufen. Denn eine Rücklage für Ersatzbeschaffung wird, wie ausgeführt, nur gebildet, um die aufgrund der Entschädigungszahlung entstandene Gewinnrealisierung in einen anderen Veranlagungszeitraum zu verschieben. Unterliegt dieser Gewinn indes nicht der Steuerpflicht, scheidet auch die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung aus. Ermittelt der Steuerpflichtige den Gewinn nach Durchschnittssätzen, wäre die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung auf einen absoluten Ausnahmefall beschränkt. Sie käme nämlich nur noch in den Fällen in Betracht, in denen der Steuerpflichtige zur Vermeidung eines unmittelbar bevorstehenden behördlichen Eingriffs ein Wirtschaftsgut i.S. des § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EStG veräußert[8].
Dieser Auslegung steht auch nicht der Wille des Gesetzgebers entgegen, wie er in den Gesetzesmaterialien seinen Ausdruck gefunden hat. § 13a EStG ist durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999[9] grundlegend geändert worden. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs[10] entspricht § 13a Abs. 6 EStG im Wesentlichen § 13a Abs. 8 EStG a.F., enthält jedoch aus Vereinfachungsgründen eine abschließende Aufzählung der zu berücksichtigenden Betriebsvorgänge. Weiter heißt es in der Gesetzesbegründung[10], dass durch § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EStG für das Anlagevermögen der wesentliche Inhalt der schon bisher in § 13a Abs. 8 Nrn. 3 und 4 EStG a.F. enthaltenen Regelungen übernommen worden sei. Nach § 13a Abs. 8 Nr. 4 EStG a.F. waren Gewinne aus der Veräußerung oder der Entnahme von Grund und Boden in den Durchschnittssatzgewinn einzubeziehen. § 13a Abs. 8 Nr. 3 EStG a.F. enthielt eine Auffangregelung des Inhalts, dass bei der Feststellung des Ausgangswerts nach § 13a Abs. 4 EStG a.F. nicht berücksichtigte Betriebsvorgänge in den Durchschnittssatzgewinn nach den Absätzen 4 bis 7 einzubeziehen waren. Durch diese Regelung war sichergestellt, dass einmalige außerordentliche Erträge, die bei der Ermittlung des Durchschnittssatzgewinns nach § 13a Abs. 4 bis Abs. 7 EStG keine Berücksichtigung gefunden hatten, in die pauschalierte Gewinnermittlung einbezogen wurden[11]. Nach § 13a Abs. 8 Nr. 3 EStG a.F. wäre auch der Gewinn, der bei Ausscheiden eines Gebäudes des land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögens infolge höherer Gewalt entstanden ist, in den Durchschnittssatzgewinn einzubeziehen gewesen. Dass der Gesetzgeber diesen außerordentlichen Ertrag, der auch nach der Neuregelung des § 13a EStG bei der Ermittlung des Grundbetrags (§ 13a Abs. 4 EStG) nicht berücksichtigt wird, nunmehr nicht mehr in den Durchschnittssatzgewinn einbeziehen wollte, ist nicht erkennbar.
Zwar wird in den Gesetzesmaterialien[10] weiter ausgeführt, dass sonstige Betriebsvorgänge, z.B. Entschädigungen, die nicht im Rahmen des Abs. 6 erfasst werden, mit dem Grundbetrag nach Abs. 4 und dem Zuschlag nach Abs. 5 abgegolten seien. Mit dem Wort „Entschädigungen“ sind aber nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht die außerordentlichen Entschädigungen für ein aus dem Betriebsvermögen infolge höherer Gewalt ausgeschiedenes Wirtschaftsgut des Anlagevermögens gemeint, sondern nur solche Entschädigungen, die bei landwirtschaftlichen Betrieben regelmäßig anzutreffen sind, wie etwa Entschädigungen für Wirtschaftserschwernisse sowie Entschädigungen mit Subventionscharakter, die zur Förderung bestimmter nationaler oder europäischer agrarpolitischer Ziele gezahlt werden und weitgehend an die landwirtschaftliche Nutzung anknüpfen.
Sind die Gewinne aus der Entschädigung für die Zerstörung eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens durch höhere Gewalt, wie unter a ausgeführt, unter den Tatbestand des § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 EStG zu subsumieren, braucht der Bundesfinanzhof nicht darüber zu entscheiden, ob diese Gewinne im Rahmen einer normspezifischen Auslegung der Tatbestandsmerkmale „Veräußerung und Entnahme“ auch unter den Tatbestand des § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EStG subsumiert werden können[12].
Einstellung in eine Rücklage für Ersatzbeschaffung[↑]
Die Entschädigungsleistung kann in eine „fiktive“ Rücklage für Ersatzbeschaffung eingestellt werden. Die Bildung einer Rücklage setzt einen ausdrücklichen Antrag des Steuerpflichtigen voraus (so auch die Verwaltungsregelung in R 35 Abs. 5 und Abs. 6 EStR a.F.; nunmehr R 6.6 Abs. 5 und Abs. 6 EStR).
Im vorliegenden Fall hat der Landwirt allerdings keinen ausdrücklichen Antrag gestellt. Und der Bundesfinanzhof verneint auch ein konkludente Antragstellung: Zwar hat der Landwirt die Entschädigungsleistung im Jahr der Zahlung nicht in die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen einbezogen. Diese Handhabung rechtfertigt aber nicht die rechtliche Würdigung, dass er den dadurch erzielten Gewinn auf die Herstellungskosten der neu zu errichtenden Wirtschaftsgebäude übertragen wollte.
Zuflusszeitpunkt und Aufgabegewinn[↑]
Bei der Ermittlung der Gewinne nach § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 EStG ist § 4 Abs. 3 EStG entsprechend anzuwenden. § 13a Abs. 6 Satz 2 EStG ist insoweit auch auf § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 EStG zu erstrecken. Die Entschädigungsleistungen der Versicherung sind danach gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt des Zuflusses steuerlich zu erfassen.
Des Weiteren sind die Entschädigungszahlungen als laufender Gewinn und nicht als Aufgabegewinn zu erfassen. Bei der Ermittlung des Aufgabegewinn ist zudem der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung zu prüfen. Insoweit verweist der Bundesfinanzhof hinsichtlich des Zeitpunkts der Gewinnrealisierung im Rahmen einer zeitlich gestreckten Betriebsaufgabe, die nach Aktenlage im Streitfall vorliegen dürfte, auf das BFH-Urteil vom 19. Mai 2005[13]. Auch ist im Rahmen der Ermittlung des laufenden Gewinns ein nach Abzug einer fiktiven linearen Absetzung für Abnutzung evtl. verbliebenen Rest(buch)wert der durch den Brand zerstörten Wirtschaftsgebäude zu berücksichtigen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. September 2014 – IV R 44/11
- vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 09.11.1988 – 1 BvR 243/86, BVerfGE 79, 106, unter B.II. 1. der Gründe, m.w.N.; BFH, Urteil vom 21.10.2010 – IV R 23/08, BFHE 231, 544, BStBl II 2011, 277[↩]
- z.B. BFH, Urteil vom 01.12 1998 – VII R 21/97, BFHE 187, 177, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 09.04.2008 – II R 39/06, BFH/NV 2008, 1529, und in BFHE 231, 544, BStBl II 2011, 277, jeweils m.w.N.[↩]
- ebenso im Ergebnis Leingärtner/Kanzler, Besteuerung der Landwirte, Kap. 26, Rz 124; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 13a EStG Rz 67; Mitterpleininger in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 13a Rz 268; Schmidt/Kulosa, EStG, 33. Aufl., § 13a Rz 18, Rz 21; Schnitter in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 13a Rz 157; anderer Ansicht Blümich/Nacke, § 13a EStG Rz 42; Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, A Rz 1262 und C Rz 265, Rz 266; anderer Ansicht wohl auch Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 11. Aufl., Rz 45b[↩]
- BFH, Urteil vom 12.01.2012 – IV R 4/09, BFHE 236, 332, BStBl II 2014, 443, mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung[↩]
- s. im Einzelnen R 35 Abs. 5 und Abs. 6 EStR a.F.; nunmehr R 6.6 Abs. 5 und Abs. 6 EStR[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 236, 332, BStBl II 2014, 443[↩]
- so ebenfalls Felsmann, a.a.O., A Rz 1262[↩]
- BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304[↩]
- BT-Drs. 14/265, S. 178[↩][↩][↩]
- vgl. dazu im Einzelnen BFH, Urteil vom 17.05.1990 – IV R 21/89, BFHE 161, 56, BStBl II 1990, 891[↩]
- bejahend Leingärtner/Kanzler, a.a.O., Kap. 26, Rz 124; Mitterpleininger in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 13a Rz 268; Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 13a Rz 18, Rz 21; Schnitter in Frotscher, a.a.O., § 13a Rz 157[↩]
- BFH, Urteil vom 19.05.2005 – IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl II 2005, 637[↩]