Die Milchreferenzmenge des Pächters

Der subventionsähnliche Vorteil aus der Milchreferenzmenge, abgabenfrei Milch zu erzeugen und vermarkten zu können, steht einem Verpächter, der nicht Erzeuger ist und die auf ihn bei Beendigung des Pachtverhältnisses übergehende Referenzmenge nur durch Veräußerung verwerten kann, nicht zu.

Die Milchreferenzmenge des Pächters

Ein solcher Verpächter hat gegen den Pächter keinen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB, wenn dieser die auf den Verpächter übergegangene Referenzmenge weiter zur Milchvermarktung nutzt.

Der Pächter hat allerdings dadurch, dass er Milch auch im Umfange der auf die Pachtfläche entfallenden Referenzmenge vermarkten konnte, “etwas” im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB erlangt. Unter diesem Begriff ist jeder Vorteil zu verstehen, der das wirtschaftliche Vermögen des Begünstigten irgendwie vermehrt.

Der Vorteil aus der Nutzung eines Milchkontingents kann Gegenstand eines Herausgabeanspruchs des Verpächters nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB sein. Die Milchreferenzmenge ist eine subventionsähnliche, abgabenrechtliche Bevorzugung; sie gewährt ihrem Inhaber die öffentlichrechtliche Befugnis, im Rahmen der ihm zugeteilten Quote abgabenfrei Milch zu vermarkten. Der geldwerte Vorteil aus der Ausnutzung eines Milchkontingents besteht in dem aus der abgabenfreien Vermarktung erzielten Ertrag.

Der Vorteil des Pächters ergibt sich daraus, dass dieser von der Rückgabe der Pachtsache bis zum Eintritt der Bestandskraft des endgültigen Übertragungsbescheids Milch abgabenfrei an die Molkerei liefern konnte. Eine darin liegende Bereicherung ist nicht deshalb zu verneinen, weil die Referenzmenge kraft Gesetzes bereits mit Rückgabe der Pachtsache und nicht erst mit dem Eintritt der Bestandskraft des Übertragungsbescheids auf den Verpächter übergegangen war.

Zwar ist es richtig, dass der Übergang der Referenzmenge nicht durch die Bescheinigung der Behörde, sondern unabhängig von dieser erfolgt. Nach den – hier anzuwendenden – Artt. 7, 8 der Verordnung (EWG) Nr. 3590/92 des Rates vom 28.12.1992 über die Erhebung einer Zusatzangabe für den Milchsektor in der Fassung der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1256/99 des Rates vom 17.05.1999 und § 12 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 7 der Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (ZAV) vom 12.01.2000 ging die Referenzmenge mit der Rückgabe der Flächen unmittelbar kraft Gesetzes auf den Verpächter über; nur der Drittelabzug zugunsten der staatlichen Reserve (§ 12 Abs. 2 ZAV) musste durch Verwaltungsakt verfügt werden.

Dies ändert aber nichts daran, dass dem Pächter ein Vermögensvorteil verblieb, weil er bis zum Eintritt der Bestandskraft des Übertragungsbescheids der Molkerei Milch entsprechend der ihm 1998 – anlässlich der Hofübernahme – bescheinigten Referenzmenge abgabenfrei vermarkten konnte. Die frühere, nach § 9 MGV von der zuständigen Landesbehörde ausgestellte Bescheinigung war für die Molkerei und die Behörden bindend. Sie wurde durch den Übergang der Referenzmenge mit der Rückgabe der Pachtsache zwar materiellrechtlich unrichtig; die Parteien, die Molkerei und die Behörden waren aber gehindert, sich auf die wahre Rechtslage zu berufen, solange die die Referenzmenge feststellende Bescheinigung nicht korrigiert worden war.

Die Bereicherung des Pächters durch Ausnutzung der Referenzmenge nach der Rückgabe der Pachtsache erfolgte jedoch nicht auf Kosten des Verpächters.

Eine Bereicherung in sonstiger Weise auf Kosten des Benachteiligten setzt voraus, dass der Bereicherungsschuldner einen Vermögensvorteil erlangt hat, der nach dem maßgeblichen Zuweisungsgehalt der einschlägigen Rechtsordnung dem Bereicherungsgläubiger gebührt. Es bedarf also eines Eingriffs in eine Rechtsposition, dessen wirtschaftliche Verwertung dem Kondiktionsgläubiger vorbehalten ist.

Daran fehlt es hier.

Die auf öffentlichem Recht beruhende Referenzmenge ist weder Inhalt noch Bestandteil des verpachteten Eigentums. Daran ändern auch die Tatsachen nichts, dass das Milchkontingent Voraussetzung für eine ordnungsmäßiger Bewirtschaftung eines als Milcherzeugungsfläche im Sinne des Art. 7 Abs. 1 VO (EWG) 3950/92 verwendeten Grünlands ist und der mit der Rückgabe der Pachtsache erfolgende Übergang der Milchreferenzmenge sich als ein Annex der Verpflichtung des Pächters zur Rückgabe der Pachtsache in einem fortgesetzter ordnungsgemäßer Bewirtschaftung entsprechenden Zustand darstellt.

Die Verfügungsrechte und die Verwertungsbefugnisse des Verpächters aus der Milchreferenzmenge, die mit der Rückgabe der Pachtsache auf ihn übergegangen ist, werden nicht vom Bürgerlichen Recht, sondern durch das im Gemeinschaftsrecht und in nationalen Ausführungsvorschriften geregelte Milchmarktordnungsrecht festgelegt. Da der Zuweisungsgehalt der Milchreferenzmenge sich nicht nach den aus dem Eigentumsrecht fließenden Befugnissen bestimmt, wäre es – entgegen der Ansicht der Revision – bereits im Ansatz verfehlt, die Inanspruchnahme einer übergegangenen Referenzmenge einer weiteren Nutzung der zurückübertragenen Fläche gleichzustellen, die den Pächter nach § 812 Abs. 1, § 818 Abs. 1 BGB zur Herausgabe des tatsächlich gezogenen Werts seiner Nutzungen verpflichtet.

Nach dem Milchmarktordnungsrecht stehen die sich aus der Referenzmenge ergebenden Vorteile bei der Vermarktung von Milch allein den Erzeugern von Milch nach Art. 9 Buchstabe e der Verordnung (EWG) Nr.1950/92 zu.

Eine Übertragung von Milchreferenzmengen auf Personen, die nicht Erzeuger sind, ist grundsätzlich unzulässig, eine abweichende Vereinbarung nach § 134 Abs. 1 BGB nichtig. Das Gemeinschaftsrecht will mit der Bestimmung, dass die Milchreferenzmenge eines Betriebs nur mit diesem auf einen den Betrieb übernehmenden Erzeuger gemäß den von den Mitgliedstaaten zu erlassenden Vorschriften übertragen werden kann (Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr.1950/92), verhindern, dass Referenzmengen nicht zur Erzeugung oder Vermarktung von Milch, sondern dazu verwendet werden, unter Ausnutzung ihres Marktwerts finanzielle Vorteile zu ziehen.

Das Verbot, Referenzmengen auf Nichterzeuger zu übertragen, gilt allerdings nicht ausnahmslos. Mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind Regelungen, die einen vorübergehenden Übergang der Milchreferenzmenge auf nicht Milch erzeugende Verpächter vorsehen, wenn der zwischenzeitliche Erwerb zur Übertragung der Referenzmenge auf einen anderen Milcherzeuger erforderlich und nur von kurzer Dauer ist. Nach diesem Grundsatz ist der in § 12 Abs. 2 ZAV (jetzt § 12 Abs. 2 MilchAbgV) bestimmte Übergang der Anlieferungs-Referenzmenge bei den vor dem 31.03.2000 abgeschlossenen Pachtverträgen – abzüglich des an die Reserve des Landes abzuführenden Drittels – auch auf solche Verpächter, die nicht Erzeuger sind, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Ein kurzfristiger Zwischenerwerb bis zur Veräußerung über die Verkaufsstelle in dem Verfahren nach §§ 8 bis 11 ZAV (jetzt MilchAbGV) widerspricht nicht dem Hauptziel des Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr.1950/92 zu verhindern, dass Referenzmengen solchen Personen zugeteilt werden, die daraus einen rein finanziellen Vorteil ziehen möchten.

Vor diesem Hintergrund stellt der Vorteil, den ein früherer Pächter aus der abgabenfreien Anlieferung von Milch durch einen materiellunrichtig gewordenen, jedoch fortwirkenden Bescheid erzielt, dann keinen Eingriff in den Zuweisungsgehalt der auf den Verpächter kraft Gesetzes übergegangenen Referenzmenge dar, wenn dieser, da er nicht Erzeuger von Milch ist, die Referenzmenge nur zum Zwecke eines kurzfristigen Zwischenerwerbs erlangen kann (vgl. § 12 Abs. 2 Sätze 2 und 3 MilchAbgV). Er kann zwar den in der Referenzmenge (auch) verkörperten Veräußerungswert in dem Verfahren nach §§ 8 bis 11 ZAV (jetzt MilchAbgV) realisieren – abzüglich des an die Reserve abzuführenden Drittel-Anteils. Der subventionsähnliche Vorteil aus der Referenzmenge, abgabenfrei Milch erzeugen und vermarkten zu können, wird ihm jedoch nicht zugewiesen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. November 2011 – LwZR 6/11