Der Arbeitsunfall auf der eigenen Obstwiese

Wer eigenständig eine Obstwiese bewirtschaftet und die Früchte darauf zieht, ist Unternehmer eines landwirtschaftlichen Betriebs nach § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII. Die Unternehmereigenschaft erfordert nicht zwingend, dass man Eigentümer eines landwirtschaftlichen Grundstücks ist oder die Beiträge zur Unfallversicherung selbst zahlt.

Der Arbeitsunfall auf der eigenen Obstwiese

Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Ein Arbeitsunfall setzt danach Folgendes voraus: Eine Verrichtung des Verletzten zur Zeit des Unfalls (genauer: davor) muss den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Diese Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dieses Unfallereignis muss einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten wesentlich verursacht haben.

In dem hier vom Sozialgericht Heilbronn entschiedenen Fall hatte sich der Kläger in Folge des Sturzes vom Apfelbaum einen Fersenbruch und damit einen Gesundheitserstschaden zugezogen. Dieser Unfall ereignete sich nach Ansicht des Sozialgerichts im Rahmen der versicherten Tätigkeit: Der Kläger war als Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens nach § 2 Abs. 1 Nr. 5a SGB VII kraft Gesetzes versichert und der Unfall ereignete sich im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs.

Die Obstwiese gehört zu einem landwirtschaftlichen Betrieb nach § 123 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, da der Kläger auf den Grundstücken insbesondere Obstbau betrieben hat und die Grundstücke damit landwirtschaftlich genutzt hat. Aufgrund einer Fläche von insgesamt 60 Ar Grünland liegt auch kein Kleingarten im Sinne des § 123 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII vor.

Der Kläger war Unternehmer des landwirtschaftlichen Betriebs. Unternehmer ist nach § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII u.a. derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Dies war zum Unfallzeitpunkt der Kläger und nicht seine Mutter. Zwar war die Mutter des Klägers die Eigentümerin des Grundstücks und zahlte die Beiträge an die Berufsgenossenschaft. Hierdurch wird sie aber nicht zur Unternehmerin, da der Gesetzeswortlaut nicht auf das Eigentum abstellt, sondern auf das unternehmerische Risiko. Dieses trägt der Kläger. Er bewirtschaftete die Grundstücke. Er hat die Wiese gemäht, die Bäume geschnitten und abgeerntet. Er hat die Ernte für sich selbst verwendet, um hieraus Apfelsaft zu pressen. Er war damit derjenige, der von dem Ergebnis des Unternehmens, nämlich der Apfelernte, profitiert hat. Die Beklagte hat insoweit zutreffend festgestellt, dass die Tätigkeit des Klägers eigenwirtschaftlich motiviert war. Mit Ausnahme der Beitragszahlung hat der Kläger damit die mit der Bewirtschaftung die Hauptlasten der Grundstücke getragen und die Vorteile genossen. Diese Arbeiten erledigte er nicht fremdbestimmt sondern eigenständig, weshalb der Kläger nicht als mitarbeitender Familienangehöriger nach § 2 Abs. 1 Nr. 5b SGB VII oder Wie-Beschäftigter nach § 2 Abs. 2 SGB VII versichert ist. Diese Alternativen setzen jeweils eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit voraus, die beim Kläger gerade nicht vorliegt. Seine Mutter war seit 2005 im Pflegeheim, weshalb nichts für ein Weisungsverhältnis spricht. Der Kläger war daher Unternehmer und nicht Arbeitnehmer. Eine rein formale Betrachtungsweise, wonach die Unternehmereigenschaft nach § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB 7 Eigentum an den bewirtschafteten Grundstücken oder eine Beitragszahlung erfordert, ist mit dem Wortlaut der Norm nicht in Einklang zu bringen. Eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Auslegung ist auch nicht im Wege einer systematischen Auslegung oder nach Sinn und Zweck der Normen angezeigt. Einerseits besteht für landwirtschaftliche Unternehmen mit Ausnahme von Haus-, Zier- und Kleingärten eine Versicherungspflicht nach § 123 SGB VII auch wenn die Produkte für den Eigenbedarf verwendet werden. Im Gegenzug hat der Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII den Kreis der Versicherten entsprechend groß gezogen und unter b) auch die nicht nur vorübergehend mitarbeitenden Familienangehörigen in den Versicherungsschutz einbezogen. Allerdings ist der Kläger dieser Alternative entwachsen, als er nicht mehr im elterlichen Betrieb mitgearbeitet hat, sondern die bestimmende Person des Betriebs wurde, die schließlich nicht für seine Eltern sondern für sich selbst das Grundstück bewirtschaftet hat. Dies kann aber nicht zum Verlust des Versicherungsschutzes führen, da andernfalls eine Lücke im Versicherungsschutz beim Generationenwechsel an landwirtschaftlichen Grundstücken entstünde, die der Systematik des Gesetzes und der Absicht des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde. Würde man die Mutter des Klägers weiterhin als Unternehmerin ansehen und den Kläger nicht als mitarbeitenden Familienangehörigen, so bestünde eine Pflichtversicherung ohne dass dieser ein wirksamer Versicherungsschutz gegenüberstünde. Die Mutter des Klägers ist im Pflegeheim und daher der Gefahr eines Arbeitsunfalls im landwirtschaftlichen Betrieb nicht ausgesetzt. Daher ist der Kläger, der die Grundstücke eigenverantwortlich bewirtschaftet und die Früchte daraus zieht, nach § 2 Abs. 1 Nr. a) kraft Gesetzes versichert.

Sozialgericht Heilbronn, Urteil vom 31. Oktober 2012 – S 6 U 3875/11