Vor- und Nacherbschaft bei einem Hof

Im Falle einer bei einem Hof eingreifenden Vor- und Nacherbschaft, in denen ein Hof im Sinne der HöfeO bei Eintritt des Erbfalls (Vorerbfalls) vorgelegen hat, danach jedoch seit Jahrzehnten die Hofeigenschaft entfallen ist und ein aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendiger hinreichender materieller Sachgrund für eine höferechtliche Privilegierung nicht mehr ersichtlich ist, richtet sich ausnahmsweise die Nacherbfolge nicht nach der HöfeO, sondern nach dem im Zeitpunkt des Nacherbfalls anzuwendenden allgemeinen Recht.

Vor- und Nacherbschaft bei einem Hof

Gemäß § 2139 BGB geht die Erbschaft des Erblassers mit dem Nacherbfall auf den Nacherben über. Dieser wird also Erbe des Erblassers und nicht etwa Erbe des Vorerben. Für die Nacherbeneinsetzung ist es daher grundsätzlich unerheblich, ob und in welchem Umfange sich der Nachlass nach dem Tod des Erblassers in seinem Wert und/oder seiner Substanz verändert. Fällt – wie hier – die Hofeigenschaft nach dem Tod des Erblassers während der Vorerbschaft unstreitig fort, so bleibt doch der früher zum Hof gehörende Grundbesitz vorhanden. Er gehört daher noch zum Nachlass des Erblassers. Auf ihn erstreckt sich weiterhin die Vor- und Nacherbschaft. An diesem, sich bereits aus dem Gesetz ergebenden Grundsatz der Einheitlichkeit von Vor- und Nacherbschaft hält auch der Senat fest.

Allerdings darf in Fällen der hier vorliegenden Art, in denen seit Jahrzehnten kein Hof mehr im Sinne der HöfeO vorhanden ist und ein aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendiger hinreichender materieller Sachgrund für eine höferechtliche Privilegierung nicht mehr ersichtlich ist, die Rechtslage nicht mehr nach dem im Zeitpunkt des Erbfalls geltenden Recht, sondern nach dem im Zeitpunkt des Nacherbfalls anzuwendenden Recht beurteilen.

Die HöfeO dient dem Zweck, leistungsfähige landwirtschaftliche Betriebe in bäuerlichen Familien zu erhalten und es zu ermöglichen, dass solche Betriebe weitgehend geschlossen zu wirtschaftlich tragbaren Bedingungen auf einen einzigen Erben der nachfolgenden Generation übergehen können. Die HöfeO führt zu einer im Vergleich zum allgemeinen Erbrecht erheblichen Privilegierung des Hoferben und zu einer Benachteiligung evtl. vorhandener weichender Miterben. Diese erhebliche Privilegierung des Hoferben einerseits und die Zurücksetzung der anderen Miterben (regelmäßig der Geschwister) andererseits lässt sich nur im Hinblick auf den auch im öffentlichen Interesse liegenden, dargestellten Zweck der HöfeO rechtfertigen. Nur unter dieser Voraussetzung und mit dem dargestellten sachlichen Grund lässt sich die Privilegierung des Hoferben im Vergleich zu den übrigen Erbberechtigten vertreten und ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vermeiden.

Danach kann zur Erreichung ihres dargestellten Zwecks und Vermeidung einer verfassungswidrigen Privilegierung eines einzelnen Erben die HöfeO nur zur Anwendung kommen, wenn entweder eine hinreichend leistungsfähige und mithin im öffentlichen Interesse erhaltenswerte landwirtschaftliche Betriebseinheit vorhanden ist oder objektiv hinreichend gesichert erscheint, dass diese vom Hoferben ohne weiteres wieder hergestellt werden kann und auch hergestellt wird. Da es der HöfeO um die Sicherung des Bestandes eines vorhandenen leistungsfähigen landwirtschaftlichen Betriebes im Erbgang geht, muss weiterhin auch eine Kontinuität und wesentliche Identität zwischen der vorhanden gewesenen und der bei Eintritt des Erbfalls weiterzuführenden bzw. wiederherzustellenden Betriebseinheit bestehen.

Im vorliegend vom Oberlandesgericht Oldenburg entschiedenen Fall steht außer Frage, dass es sich bei dem noch vorhandenen Grundbesitz nicht mehr um einen Hof im Sinne der Höfeordnung handelt. Der Vorerbe hat den Hof im Jahr 1979 aufgegeben. Die Flächen sind seither an verschiedene Pächter fremdverpachtet. Die Gebäude sind verfallen. Ein Wiederanspannen scheidet nach ihren übereinstimmenden Angaben definitiv aus. Unter diesen Voraussetzungen kann der vorgenannte Zweck des Höferechts, leistungsfähige landwirtschaftliche Betriebe in bäuerlichen Familien im öffentlichen Interesse zu erhalten, zwangsläufig nicht erreicht werden. Besteht folglich kein rechtfertigender Grund dafür, Höferecht anzuwenden, liegt auch der vom Bundesverfassungsgericht geforderte sachliche Grund für die Privilegierung des Hoferben nicht mehr vor, so dass die Anwendung der Höfeordnung bei einem Sachverhalt wie dem Vorliegenden gegen den Gleichheitsgrundsatz des § 3 GG verstieße.

Aus diesem Grund ist das Oberlandesgericht in Abkehr seiner früheren Rechtsauffassung der Auffassung, dass sich die Bestimmung des Nacherben in einem solchen Fall bei verfassungskonformer Auslegung nicht mehr nach dem zur Zeit des Erbfalls geltenden Recht (hier der HöfeO in der Fassung vom 24.04.1947), sondern nach dem im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls geltendem Recht ergibt. Mangels Anwendbarkeit des Höferechts geltend vorliegend daher die allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Diese nach Auffassung des Senats verfassungsrechtlich gebotene Rechtsfolge erscheint auch nicht systemwidrig. So wird auch nach überwiegender Rechtsprechung und Literatur für den Fall, dass der Erblasser eine Vorerbschaft angeordnet, aber den Nacherben nicht benannt hat, angenommen, dass als Nacherben dann gemäß §§ 2106 S. 1, 2066 S. 2 BGB die gesetzlichen Erben berufen sind und dabei für die Bestimmung der Eigenschaft als gesetzlicher Erbe und das dafür anwendbare Recht grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Nacherbschaft – und nicht etwa des Erbfalls – abzustellen ist.

Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 10 W 4/11